Zufall

Dem Zufall kommt in der Philosophie eine zwiespältige Rolle zu. Einerseits ist er allgegenwärtig. Überall wo es etwas zu erklären gibt, wo Fragen und Probleme dem Verstehen im Weg stehen, ist er beispielsweise als fehlendes Wissen gegenwärtig (epistemischer Zufall) oder als Unterbestimmtheit der zu erkennenden Sache selbst (ontologischer Zufall). Andererseits ist er aber gerade dasjenige, das es zu überwinden und auszumerzen gilt. Wir suchen nach Gründen und Erklärungen, um unser fehlendes Wissen und das Unter- bzw. noch nicht Bestimmte von uns fern zu halten. Dies gilt selbst noch in der postmodernen Gegenwart, in der der Zufall zwar als etwas eigenständiges Anerkennung findet, jedoch nur zum Preis einer Passivität und Äußerlichkeit, die wir ihm gegenüber einnehmen müssen: Was unerklärt oder gar unerklärlich ist, ist und bleibt uns fremd, ganz gleich wie oft und auf welche Weise wir seine Existenz betonen.

Dieser Themenblock ist angelegt, verschiedene Aspekte des Phänomens Zufall zu besprechen. Zentral dafür ist, dass sich der Zufall in vielen verschiedenen Kontexten in je anderer Gestalt zeigt und dabei wieder andere Bezeichnungen erhält (etwa Kontingenz, Glück, Schicksal, Möglichkeit, Irrationalität). So spielt er eine ebenso wichtige Rolle in der Debatte um Willensfreiheit wie in der Quantenmechanik, in religiösen Fragen um Vorsehung wie bei Gottesbeweisen.

Diese Vielfalt versuchen wir in dieser Rubrik abzudecken. In den Beiträgen sollen sowohl ontologische, moralische, handlungstheoretische, aber auch historische, künstlerische und religiöse Aspekte des Zufalls philosophisch erörtert werden. Anregungen sowie Beiträge oder Vorschläge zu Themen könnt Ihr gerne an wamssler@praefaktisch.de schicken.


14. März 2023
Von Ursula Wolf (Mannheim) Aristoteles behandelt in seinen Schriften mehrere Begriffe und Problemkontexte, die im weiteren Sinn mit dem Zufall zu tun haben. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Bereich des…
21. Februar 2023
Anne Tilkorn (Berlin) Der folgende Beitrag ist auch als Podcast verfügbar. Ich unterscheide drei Begriffe von Zufälligkeit: modale, teleologische und ästhetische. Der Schwerpunkt liegt auf der ästhetischen Zufälligkeit, denn weder…
9. Februar 2023
Jan-Hendrik Heinrichs (Jülich/Aachen) Es herrschen widersprüchliche moralische Haltungen gegenüber dem vor, was wir nur mithilfe des Zufalls sind oder vollbringen. Der durch glücklichen Zufall gelungenen Lebensrettung spenden wir mehr Lob…
10. Januar 2023
Rüdiger Stegen (Hochschule Weserbergland) Beim Eingangsbild dieses Artikels werden sich wahrscheinlich viele an den Mathematikunterricht in der Schule erinnern, denn Würfeln ist das Paradebeispiel für den Einstieg in die Wahrscheinlichkeitsrechnung.…
3. Januar 2023
Uwe Meixner (Universität Augsburg) Die Welt ist in ganz bestimmter Weise; sie war es und wird es sein. In unendlich vielen anderen Weisen, in denen die Welt offenbar auch sein…