08 Mai

Solidarität im philosophischen Wissenschaftsbetrieb? Ein Kommentar zur Stellungnahme von SWIP Germany

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Es ist ein Verdienst von SWIP Germany (Society for Women in Philosophy), dass sie sich der Frage der ungleich verteilten Belastungen innerhalb des Wissenschaftsbetriebs in Zeiten der COVID-19 Pandemie in einer Stellungnahme angenommen hat. Obwohl ich die Stellungnahme inhaltlich fast vollständig teile und diese Textsorte immer gewisse Unzulänglichkeiten mit sich bringt, bleibt doch der Eindruck, dass hier ein stärkeres Signal gesendet hätte werden können. So bleibt der Aufruf für mich etwas zu sehr im Vagen hängen.

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09 Jul

Interview mit Nikola Kompa

Nikola Kompa ist Professorin am Institut für Philosophie der Universität Osnabrück

prae|faktisch: Wieso wollten Sie Philosophin werden?

Nikola Kompa: Ich glaube nicht, dass ich Philosophin werden wollte. Ich komme aus einem naturwissenschaftlich geprägten Elternhaus. Zunächst hatte ich mich im Studium denn auch mehr auf die Mathematik (eines meiner zwei Nebenfächer) konzentriert, bis ich dann in einem Seminar zu Theorien des Bewusstseins landete. Und plötzlich hatte mich die Philosophie gepackt – vor allem die Philosophie des Geistes. Während der Promotion habe ich sogar überlegt, in die Psychologie (mein zweites Nebenfach, auch noch während der Promotion) zu wechseln.

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27 Dez

Das große Postdoc-Rennen oder: Wie wollen wir regeln, wer auf’s Siegertreppchen kommt?

von Christine Bratu (München)

 

Wenn wir kurz von den riesigen Privilegien absehen, die auch ein befristeter Job in der akademischen Philosophie mit sich bringt (etwa dass man für’s Philosophieren bezahlt wird; dem kontinuierlichen Austausch mit Studierenden und Kolleg*innen;  den mehr oder weniger flexiblen Arbeitszeiten), fühlt sich das Postdoc-Leben mitunter wie ein großes Wettrennen an. Und zwar eines, dessen Siegertreppchen viel zu klein ist, um darauf dauerhaft für alle Beteiligten Platz zu schaffen. Ein Großteil der Läufer*innen wird also leer ausgehen – und alle wissen das. Das sorgt an sich schon für Stress, das haben Konkurrenzsituationen nun mal so an sich. Zudem erfolgt das große Postdoc- Rennen auch noch in einer Lebensphase, in der sich viele mehr Planungssicherheit wünschen, etwa weil sie selbst eine Familie gründen wollen oder sich um älter werdende Angehörige kümmern müssen. In solchen Situationen wäre es schon sehr hilfreich absehen zu können, ob man in zwei, drei Jahren noch in derselben Stadt leben oder einen Wohnungskredit abbezahlen können wird.

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20 Nov

Zur Departmentstruktur

von Christine Tiefensee (Frankfurt)


Will man Thomas Kuhn Glauben schenken, folgt auf die Krise des alten wissenschaftlichen Paradigmas wissenschaftliche Revolution. Der Vergleich zwischen Kuhns Revolutionen und der derzeit stark diskutierten Transition von der traditionellen Lehrstuhlstruktur hin zu einer Departmentstruktur hinkt zugegebenermaßen an mehreren Stellen. ‚Krise‘ und ‚Revolution‘ sind schließlich sehr starke Begriffe, wobei sich Philosoph*innen—bis auf wenige Ausnahmen—gemeinhin nicht gerade durch revolutionären Tatendrang und ausgeprägten Aktivismus hervortun. Dennoch lädt dieses Bild dazu ein, zwei drängende Fragen zu beantworten: Erstens, befindet sich das traditionelle Lehrstuhlsystem, in dem weisungsgebundene Mitarbeiterstellen Lehrstühlen zugeordnet sind, in einer ‚Krise‘, d.h. sieht es sich mit gravierenden Problemen konfrontiert, die nicht länger ignoriert werden können und dürfen? Zweitens, könnte eine beispielsweise aus den USA und Großbritannien bekannte Departmentstruktur, in der es keinen weisungsgebundenen Mittelbau gibt, sondern Philosophen*innen als weisungsunabhängige Professoren oder Lecturers forschen und lehren, diese Probleme überwinden, und wie könnte eine ‚Revolution‘ angegangen werden?

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23 Okt

Wer wächst wohin? Zum Begriff des wissenschaftlichen Nachwuchses

von David Willmes (Freiburg im Breisgau)

 

Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie Begriffe wie „Betreuer“ oder „Nachwuchs“ hören? Fragt man Lieschen Müller, wird sie wohl kaum an Hochqualifizierte auf dem Weg zum Doktorgrad oder zur Professur denken. Sondern vielleicht eher an Kinder oder Pflegebedürftige. Im Hochschuljargon sind diese Ausdrücke gang und gäbe – trotz Infantilisierung, anscheinend mangels Alternativen. Auch bei mir hat sich der Sprachgebrauch eingeprägt. Allerdings bleibt ein Beigeschmack. Wir sollten genauer hinschauen, was serviert wird.

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18 Sep

Die Finanzierung der Wissenschaft und ihr Einfluss auf die prekäre Situation unserer nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen

von Achim Stephan (Osnabrück)


Die modellhaften Überlegungen, die von Mitgliedern der DGPhil und der GAP gemeinsam angestellt wurden, um die Situation für unsere nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen etwas zu verbessern, können nur ein paar Tropfen auf einen überhitzten Stein sein. Sie orientieren sich daran, was Philosophie-Institute und Universitäten unter Umständen selbst in die Hand nehmen können. Nicht thematisiert wird das, was die eigene unmittelbare Einflussnahme übersteigt. Will man jedoch begreifen, was dazu geführt hat, die zu keiner Zeit einfache Situation der sogenannten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler extrem zu verschärfen, führt kein Weg daran vorbei, sich die forschungspolitischen Rahmenbedingungen vor Augen zu führen. Noch Ende der achtziger Jahre dürften viele Philosophie-Institute im Laufe von zehn bis zwanzig Jahren nicht wesentlich mehr Postdocs zur Habilitation geführt haben als sie selbst  an Dauerstellen aufwiesen (auch da gab es sicher Ausnahmen und nicht alle Habilitierten konnten mit Professuren rechnen, aber immerhin gab es auch noch unbefristete akademische Ratsstellen, auf denen man  in der Regel ebenfalls mit großen Freiheitsgraden eigene Projekte in der Lehre und etwas eingeschränkter in der Forschung verfolgen konnte).

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