03 Jan

Der klinisch-ethische Fehlschluss

Von Weyma Lübbe (Regensburg)


[Dieser Text ist zuerst erschienen in: Verfassungsblog, 2020/12/23, https://verfassungsblog.de/der-klinisch-ethische-fehlschluss/]


Das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht, auch Prognose genannt, ist in der Literatur über Zuteilungskriterien bei medizinischer Ressourcenknappheit seit langem präsent. In Deutschland haben Mediziner die Anwendung dieses Kriteriums im Kontext der aktuellen Pandemie in sogenannten klinisch-ethischen Empfehlungen angeraten. Die vorgeschlagene Priorisierung, so heißt es in dem Dokument, erfolge „ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten“, sondern aufgrund der Verpflichtung, möglichst vielen Patienten die Teilhabe an der medizinischen Versorgung zu ermöglichen. Deshalb solle die Priorisierung sich am Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht orientieren. Der klinische Erfolg sei im Kontext der für diese Pandemie relevanten Knappheit an intensivmedizinischen Ressourcen, namentlich an Beatmungsgeräten, im Sinne des Überlebens der Intensivtherapie zu verstehen.

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19 Mrz

Corona-Triage

Ein Kommentar zu den anlässlich der Corona-Krise publizierten Triage-Empfehlungen der italienischen SIAARTI-Mediziner

Von Weyma Lübbe (Regensburg)

[Dieser Text ist zuerst erschienen in: VerfBlog, 2020/3/15, https://verfassungsblog.de/corona-triage/]

Triage – das ist die Sortierung von Patienten in Gruppen vor- und nachrangig zu Behandelnder bei einem die verfügbaren Ressourcen weit übersteigenden Massenanfall von Bedürftigen. Das ist schon immer ein heikler und belastender Vorgang gewesen. Die italienische Gesellschaft für Anästhesie, Analgesie, Reanimations- und Intensivmedizin (SIAARTI) hat den Intensivmedizinern, die derzeit nicht mehr allen bedürftigen Covid-19-Patienten Beatmungsgeräte bereitstellen können, dazu kürzlich Empfehlungen an die Hand gegeben. Man wolle auf diesem Wege die Praktiker davon entlasten, die Auswahlentscheidungen persönlich verantworten zu müssen, und man wolle die Kriterien explizit und kommunikabel machen. Auch den daran interessierten Betroffenen und ihren Familien müssten sie zugänglich gemacht werden, um das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen aufrecht zu erhalten.

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