21 Jun

Die postfaktische Demokratie und ihre Kritiker

von Veith Selk (Darmstadt)


Verfolgt man die gegenwärtig im Feuilleton und in der Wissenschaft ausgetragene Debatte über den Zustand der westlichen Demokratien, kann dabei der Eindruck entstehen, den Demokratien kämen die Tatsachen abhanden. Nimmt man die dominanten Selbstbeschreibungen der Demokratien beim Wort, wäre das in der Tat problematisch, ist doch diesen zufolge das Wissen über Fakten auf mindestens zwei Ebenen von Bedeutung. Erstens setzt die Erzeugung demokratischer Legitimität voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, sich sowohl über die politischen Probleme und Handlungsoptionen als auch über die faktische Regierungspolitik und ihre Folgen, die häufig selbst zu politischen Problemen werden, öffentlich sachkundig machen können. Zweitens kann nur dann gut regiert werden, wenn der Staat über Wissen verfügt. Nicht zufällig hing die Entstehung des Staates mit der Entstehung der Statistik zusammen, die den Herrschenden faktenbasiertes Herrschaftswissen bereitstellte – mal zum Guten, mal zum Schlechten der Untertanen. Das ist auch in der Demokratie so. Die Bedeutung von Wissen nimmt in ihr sogar zu, weil demokratische Politik nicht nur in hohem Maße der Legitimität bedarf, sondern auch durch eine Erhöhung der Erwartungen und Ansprüche an das Staatshandeln charakterisiert ist.

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