29 Mrz

Moralisches Urteilen in Zeiten von Ausgangssperre und Quarantäne. Gedanken aus der Isolation im Anschluss an Lawrence Kohlberg

Von Tobias Lensch (Eichstätt)

Drei der einflussreichsten und am meisten debattierten Strömungen in der Moralphilosophie sind der Konsequentialismus, der Kontraktualismus und die Deontologie. Sie geben jeweils unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie ich handeln sollte im Lichte ethischer Betrachtung. Diese Strömungen hat Lawrence Kohlberg in seiner sehr berühmten Theorie der Entwicklung des moralischen Urteilens eingearbeitet. Die Auseinandersetzung mit Kohlbergs Psychologie der Moralentwicklung[1] ist auch heute noch überwiegend fester Bestandteil in der universitären Lehre der pädagogischen Psychologie. Bei all der berechtigten Kritik[2], die Kohlbergs Stufenmodell – das ich gleich skizzieren werde – im Laufe der Zeit erfahren musste, ist es dennoch erstaunlich, dass eine Anwendung der verschiedenen Stufen in seinem Modell auf eine gesellschaftliche Krise (und das ist die Corona Pandemie neben einer medizinischen oder wirtschaftlichen auch) dabei helfen kann zu verstehen, wieso sich manche Personen oder Personengruppen in dieser Krise anders verhalten und durch ihr Verhalten Empörung, Wut oder Unverständnis von anderen Personen hervorrufen. Kompakt dargestellt nimmt Kohlberg drei aufeinander folgende Niveaus des moralischen Urteilsvermögens an: Am Anfang steht das präkonventionelle, dann das konventionelle, und am Ende das postkonventionelle Niveau. Innerhalb dieser einzelnen Niveaus gibt es jeweils zwei Stufen des moralischen Urteils.

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