05 Apr

Kapitalismus als Corona-Party – und wie die Welt von morgen tatsächlich besser werden könnte

Interview mit Martin Gessmann (Offenbach)

Wir sind noch mitten dabei, das Schlimmste zu verhindern bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie. Und das ist gut so, es geht um viele Tausende an Menschenleben, weltweit. Und doch kann man den Augenblick auch schon nutzen, um nach vorn zu schauen. Die Art und Weise, wie wir heute miteinander umgehen – mehr oder weniger gezwungenermaßen – könnte zukunftsweisend sein. Man könnte es als einen Testfall ansehen dafür, ob wir es nicht auch freiwillig besser hinbekommen, indem wir etwa auf Reisen verzichten, nicht ständig irgendwohin unterwegs sind und den Konsum herunterfahren. All das würde dem geschundenen Klima und unserer Umwelt sehr zu Gute kommen. Schon jetzt ist etwa klar, dass in Deutschland auch noch die ehrgeizigsten Emissionsziele für 2020 mit wehenden Fahnen erreicht bzw. übertroffen werden. Bis zu 120 Millionen Tonnen CO2-Einsparung sind nach bester Schätzung in diesem Jahr möglich. Man kann es auch so wenden: Willkommen in Gretas Welt. Alles würde klima-gut, würden wir ab jetzt konsequent so weiter machen. Weil das viel zu schön klingt, um wahr zu sein, braucht es dringend einen Realitätscheck – was ist dran an den Post-Corona-Visionen? Steht uns das Ende des Kapitalismus bevor? Wird das Klima durch ein Virus gerettet? Jedenfalls nicht, wenn wir das philosophische Fingerhaken so weiter treiben, mahnt der Philosophen Martin Gessmann. Das Gespräch führte Marc Halbach.

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13 Feb

‚Der Weltgeist als Autonomes Automobil‘

von Martin Gessmann (Offenbach)


Wie auch immer die Durchhalteparolen lauten, die sich die Gemeinde der Hegelianer vorsagen: seit dem Mauerfall ist die Luft raus aus den Hegeldebatten. Die Hegelvereinigungen tun sich schwer, das Level der Aufmerksamkeit hoch zu halten. Der Marxismus als Reibefläche und Konkurrent ist verschwunden, und damit scheint auch Hegel von der Weltbühne der wichtigen Auseinandersetzungen endlich abgetreten. Im Grunde ging es darum zu zeigen, dass es auch noch eine ordentliche bürgerliche Alternative gibt zum Theorieanspruch des Kommunismus auf ideologische Weltherrschaft. Mit dem Hegelschen Politik-Original sei langfristig mehr erreicht als mit der Marxschen Klassenkampf-Kopie. Nun sah man sich bestätigt, aber auch mit Oskar Wilde der traurigen Einsicht konfrontiert: Es gibt nichts Schlimmeres als seine hehrsten Ziele irgendwann einmal zu erreichen. Die einstmals aufregenden Hegelstudien sind inzwischen zu einer philosophischen Mottenkiste geworden, man befleißigt sich kundigen Aktenstudiums, und das auch schon nicht mehr auf der Höhe eines Kant oder Heideggers, geschweige denn Platos oder Aristoteles. Hegel wird zum historischen Hinterbänkler.

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19 Jun

Nibelungentreue im Fußball

von Martin Gessmann (Offenbach)


Der Fußball hat in den vergangenen zehn oder fünfzehn Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht. Der Sport ist athletischer und schneller geworden, Aktionen wurden theatralischer, die Taktiken überlegter und alles um den Fußball herum einen Schuss professioneller. In der Philosophie hat das bislang vor allem die Ästhetiker auf den Plan gerufen. Fußball ist zu einer Kunstform geworden, Metaphern zum ‚Weißen Ballett’ der Madrilenen oder zum Tiki-Taka-Tanz der Barcelonesen sind inzwischen wörtlich zu nehmen. Spiele-Ästhetiker sehen zudem Parallelen zum video gaming, sobald Taktik und Kybernetik Hand in Hand gehen. Die sonnabendliche Taktik-Analyse im Sportstudio legt das jedenfalls nahe.

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