01 Apr

Seuchen, Ängste und die Ordnung der Gesellschaft – Was die Corona-Pandemie mit Zombies und Vampiren zu tun hat

Von Andrea Klonschinski (Kiel)

1. Einleitung

Durch die ersten Berichte über die Corona-Epidemie in Wuhan sowie die zunächst nur drohende, dann aber schnell tatsächlich stattfindende globale Ausbreitung des Virus („Das Virus ist jetzt in Europa!“ – „Erster Infizierter in Italien!“ – „Erster Fall in Deutschland!“), fühlte ich mich anfangs schmunzelnd, dann zunehmend beunruhigt an jüngere Horrorfilme, wie 28 Days Later (Danny Boyle, 2002) und I am Legend (Francis Laurence, 2007) oder die Serie The Walking Dead (AMC, seit 2010) erinnert. Bilder von menschenleeren Straßen oder Plätzen, auf denen sich sonst dicht gedrängt Einheimische und Touristen tummeln, haben diese Assoziation und das Gefühl, sich einer unheimlichen und surrealen Lage zu befinden, noch verstärkt. Genau wie in unserer aktuellen Situation ist auch in den genannten Filmen eine Virus-Pandemie Schuld an solchen Bildern und Berichten – anders als bei uns hat dieses Virus dabei bereits den Großteil der Menschheit dahingerafft und in blutrünstige Zombies verwandelt. Diese gedankliche Verbindung von Corona-Pandemie und Zombie-Apokalypse mag auf den ersten Blick makaber und unangemessen wirken. Ich meine aber, dass eine Weiterverfolgung dieser Assoziation uns helfen kann, die aktuelle Situation und unsere damit verbundenen Ängste reflektieren und damit die Bedrohlichkeit der Corona-Pandemie für uns als Individuen, aber auch als Gesellschaft besser einordnen zu können.

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10 Jul

Populäre Subdisziplin: Film als Philosophie

von Susanne Schmetkamp (Basel)


Philosophische Texte, so schreiben die Kollegen Cox und Levine, seien oft «as dry as a desert», staubtrocken also, wie Wüstensand, der einem das Atmen erschwert, die Stimme verschlägt, die Augen trübt. Dabei soll uns Philosophie doch gerade eine Stimme verleihen, die Augen öffnen, den Blick klären für das, was wir sonst nicht sehen (hören, sagen) oder nicht sehen (hören, sagen) wollen, wie es wohl am prominentesten Platons Höhlengleichnis beschreibt. Platon ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Philosophie gerade nicht trocken sein muss, wenn sie nämlich das Gespräch sucht oder Gedankenspiele entwirft. Zu antiken Zeiten war das «Populäre» und die «Philosophie» daher auch kein solcher Gegensatz wie das heute zu sein scheint, wo Philosophie offenbar nicht populär ist, sondern erst dazu gemacht werden muss oder wo sich Philosophie ungern mit dem «Pop» misst, und wenn sie es tut, sich ins akademische Abseits schießt. Diesen Tendenzen will (und kann) eine Selbstverständigung nach dem Wesen und Wirken populärer Philosophie entgegenkommen, die sich vielleicht im Moment eher auf Festivals, in philosophischen Cafes oder im Feuilleton abspielt, wobei jüngst bemängelt wurde, dass die akademische Philosophie jenseits aller gesellschaftlichen Entwicklungen vor sich hin theoretisiere, dass sich die meisten «großen Stimmen» der Philosophie nicht gerade volksnah und verständlich oder erst überhaupt nicht verständigten. Das führte wiederum zum Einwand, dass die Philosophie nicht der Ort intellektueller Moden oder schillernde Zeitdiagnostik sei, sie müsse auch nicht (oder nicht immer) öffentlich vermittelbar sein. In der Tat kann sie das auch gar nicht immer; es gibt Themen in der Philosophie – ebenso wie in anderen akademischen Forschungen – die schwer zugänglich sind, und vielleicht sind die Argumente und Gegenargumente über das Selbstverständnis der Philosophie und ihrer Popularität tatsächlich entweder überzogen oder selbstgefällig. Ist es denn wirklich so, dass sich die (auch akademische) Philosophie den populären Themen entzieht, zu denen doch auch soziale und politische Probleme unserer Zeit gehören, von Migration über Armut bis Populismus? Oder was ist mit den vielen «poppigen» Themen in der gegenwärtigen Ästhetik über Jazz, Design, Tanz und Performance?

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