09 Apr

Für eine liberal-egalitaristische politische Philosophie der Familie

Von Sabine Hohl (Basel)


In der von John Rawls geprägten liberal-egalitaristischen politischen Philosophie der letzten 50 Jahre wurde die Familie lange stark im privaten Bereich verortet, so sehr dies auch von feministischen Philosoph:innen völlig zu Recht angeprangert worden ist, die stets auf die politische Relevanz der Familie hingewiesen haben. Mittlerweile hat sich dies zum Glück geändert und das Thema «Familie» hat in der Ethik und in der politischen Philosophie Hochkonjunktur und auch die feministische Kritik ist verstärkt gehört worden. Einige liberal-egalitaristische Grundannahmen haben sich allerdings in dieser Literatur bis heute noch nicht generell durchgesetzt – und noch viel weniger gilt das für die gesellschaftliche und politische Praxis. Im Folgenden schlage ich zwei methodologische Neuorientierungen vor, die dabei helfen sollen, eine stärker liberal-egalitaristisch geprägte Perspektive auf die Familie einzunehmen und letztlich auf dieser Basis auch politische Reformen vorzuschlagen. Diesen ist auch das von mir geleitete Forschungsprojekt «Just Parenthood: The Ethics and Politics of Childrearing in the 21st Century» verpflichtet, das seit 2023 an der Universität Basel läuft.

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21 Mrz

Elternschaft ohne Liebschaft: Co-Elternschaft und gesellschaftliche Normen

Von Johanna Rensing (Basel)


Seit einigen Jahren entstehen neue Formen von Elternschaft. Ein Beispiel dafür ist die Co-Elternschaft. Eine Co-Elternschaft unterscheidet sich von einer traditionellen Elternschaft dadurch, dass die Eltern keine romantische Paarbeziehung miteinander führen. Die Co-Elternschaft steht oft unter Generalverdacht weniger geeignet zu sein, als eine traditionelle Elternschaft, um Kinder zu erziehen. Ist die Abwesenheit einer romantischen Paarbeziehung ein Hindernis für gemeinsame Elternschaft?

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12 Mrz

‹Führerschein› für Eltern?

Von Johannes Giesinger (Zürich)


«Wer ein Kind bekommen will, sollte erst einmal psychologisch abgeklärt werden» – so der Autor Michael Nast (Instagram-Post vom 13. Juni 2023). Er benutzt in diesem Kontext auch den Begriff des ‹Elternführerscheins›: Wer ein Kind aufziehen will, so vorher einen Eignungstest bestehen. Nast spricht von möglichen finanziellen Anreizen, die mit einem solchen Test verbunden wären: Wer ihn nicht absolvieren würde, hätte mit entsprechenden Nachteilen zu rechnen. In diese Richtung geht auch der Vorschlag Hugh LaFollettes (2023, S. 329), der allerdings in seinem ursprünglichen, vieldiskutierten Aufsatz «Licensing Parents» (1980) ein weiter gehendes Modell propagiert hatte: Nur wer über die Lizenz verfügt, soll Kinder aufziehen dürfen. Was ist von diesem radikalen Vorschlag zu halten?

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23 Aug

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 2: Doppelangebote

von David Löwenstein (Düsseldorf)


In einem ersten Beitrag habe ich die spezifischen Vereinbarkeitsprobleme akademischer Doppelkarrierepaaren skizziert. Wie lassen sie sich lösen? Auch hier ist zunächst auf den Good Practice Guide der Society for Women in Philosophy zu verweisen, der dazu viele gute Vorschläge enthält. Und wie bei den Problemen, gilt auch für die Lösungsideen: Akademische Doppelkarrierepaare sind doppelt betroffen.

In der Praxis besteht der häufigste Ausweg aus den geschilderten Vereinbarkeitsproblemen jedoch darin, dass mindestens ein Elternteil aussteigt und sich beruflich neu orientiert. Das ist aber natürlich weder im Sinne exzellenter Forschung und Lehre noch im Sinne von Vereinbarkeit und gleichberechtigten Beziehungsmodellen.

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06 Jul

Vereinbarkeit zwischen Familie, Studium & Arbeit als ewiger Kompromiss

Von Sonja


Als ich die Anfrage erhalte, ob ich einen Blogbeitrag zum Thema „Vereinbarkeit“ schreiben möchte, muss ich etwas zögerlich antworten, da ich mir aufgrund eben dieser Vereinbarkeit nicht sicher bin, ob ich es schaffe. Es ärgert mich innerlich: Ich würde am liebsten so viele Dinge machen, ausprobieren und angehen, aber es würde mich innerlich zerreißen. Am Anfang galt es, Familie und Studium zu vereinbaren. Während meines Bachelors gab es eine Distanz von 800 km zwischen meinem jetzigen Mann, unserer Tochter und mir, da er ganz woanders lebte und studierte. Neben dem Bachelor-Studium war ich quasi alleinerziehend und hatte vor allem die Unterstützung meiner Oma, um diese Herausforderung irgendwie zu bewältigen. Zu Beginn meines Masters zogen wir endlich zusammen und einige Jahre später  kam dann erst eine Selbstständigkeit meinerseits dazu (da es keinen Job gab, bei dem ich sonst alles unter einen Hut bekommen hätte), dann der Nebenjob in einer NGO mit einem Pensum von circa 13 Stunden die Woche. Es gab mehrere Gründe dafür: Zum einen spürte ich den enormen Druck, mit Ende zwanzig/Anfang dreißig noch nicht im Berufsleben Fuß gefasst zu haben, und es machte sich Panik breit, was die Altersvorsorge und ähnliche Dinge betrifft. Zum anderen brauchten wir dringend eine finanzielle Entlastung, jedoch kam es für uns nicht in Frage, Kredite oder ähnliches aufzunehmen. Wir wollten möglichst schuldenfrei bleiben.

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13 Apr

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 1

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg)


Die Herstellung von Vereinbarkeit wird heute als fester Bestandteil moderner Familienpolitik verstan­den und auch in den Hochschulen ist das Thema längst angekommen. Es findet sich in den meisten Leitbildern deutscher Hochschulen, die überdies mittlerweile reihenweise als familienfreundlich zertifiziert sind. Diese Selbstverpflichtungen betreffen zwar nicht allein Vereinbarkeitsprobleme der an Hochschulen akademisch tätigen Personen, aber gerade hier scheinen die Probleme nach wie vor gravierend zu sein und sich allzu leichten Lösungen zu entziehen. Vor allem lassen sich diese Probleme sicherlich nicht allein auf Leitungsebene lösen, sondern müssen in der Breite angegangen werden – das heißt auch innerhalb Philosophischer Institute. Wie kann man dort also für Verbesserungen sorgen und warum muss man das überhaupt noch? Einige Ideen und Vorschläge dazu liefert der neue Best Practice Guide „Vereinbarkeit“ der Society for Women in Philosophy Germany e.V. Ehe wir diese im zweiten Teil vorstellen, wird es hier aber zunächst um ganz grundlegende Fragen danach gehen, was wir unter Vereinbarkeit verstehen und wo wir momentan Probleme sehen.

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08 Feb

Call for Blogposts: Vereinbarkeit von akademischem Arbeiten und anderen wertvollen persönlichen Projekten

Hochschulen sind inzwischen reihenweise als familienfreundlich zertifiziert, aber das heißt nicht, dass sich die Arbeit in der akademischen Philosophie mit der Sorge um Kinder, pflegebedürftige Eltern oder andere nahestehende Personen leicht vereinbaren lässt. Vielmehr erscheint beides oft nahezu unvereinbar: Der üblichen Kitaschließzeit am Nachmittag stehen gängige Vortragstermine am Abend gegenüber; der geforderten vollen Konzentration auf den zu schreibenden Artikel die Sorge darum, dass der nächste befristete Arbeitsvertrag zur Pendelei weg von den dementen Großeltern zwingt; und der Muße, die es für kreative gute Ideen braucht, das ewige Zerren der vielen beruflichen und privaten Verpflichtungen, die einen mitunter zweifeln lassen können, ob man ohne dauernde Überstunden überhaupt konkurrenzfähig ist. Diskussionen aus dem vorigen Jahrhundert, könnte man meinen, aber für viele immer noch Realität. Zudem keine leicht zu bearbeitende, denn die Probleme sind vielfältig und entziehen sich daher oftmals einer einfachen Lösung. Beispielsweise passt der oft gemachte Vorschlag, alle Termine in die Kernarbeitszeiten zu legen, in der Regel nicht zum Wunsch pendelnder Care-Arbeitender, die ein großes Interesse daran haben, nicht unbegrenzt Zeit an ihrem Arbeitsort zu verbringen, Pendelei aber ist für viele aufgrund der langen Befristungszeiten unumgänglich.

In einer neuen Reihe auf prae|faktisch möchten wir Beiträge zu diesem Thema versammeln: Welche konkreten Probleme gibt es? Wie wirken strukturelle und individuelle Ebene hier zusammen? Welche Lösungen sind für welche Situationen erprobt? Welche Lösungen könnte man sich vorstellen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Und was gibt es bei dem Ganzen noch zu bedenken? 

Wir freuen uns über Einreichungen zu diesen und anderen Fragen, wobei Personen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlichster Rollen im akademischen System und unterschiedlicher Statusgruppen zu Wort kommen sollen. Erwünscht sind drei Arten von Beiträgen: Antworten auf die Frage, was schief läuft (testimonials), Antworten auf die Frage, wie es besser gehen könnte (best practise), sowie Antworten auf die Frage, wie es in einer idealen Welt besser gehen könnte (Utopie). Ggf. werden wir anonyme Beiträge möglich machen.

Die formalen Vorgaben für Blogbeiträge auf praefaktisch sind hier.

Dieser Themenblock wird von der AG Vereinbarkeit der SWIP (Society for Women* in Philosophy Germany) betreut und herausgegeben. Vorschläge für Texte bitte an Prof.in Christine Bratu schicken: christine.bratu@uni-goettingen.de.