29 Nov

Informed Consent, Vulnerabilität und algorithmische Diskriminierung

Von Hauke Behrendt (Stuttgart) und Wulf Loh (IZEW Tübingen)


Zu den größten Binsen des Digitalisierungsdiskurses der letzten Jahre gehört die Einsicht, dass personenbezogene Daten für große Digitalkonzerne wie Apple, Facebook, Amazon oder Google eine Schlüsselrolle einnehmen. Mehr noch: Für manche besitzt die Ressource Daten einen vergleichbaren Stellenwert für die Plattformökonomie des digitalen Zeitalters wie das Rohöl im ancien régime des klassischen Industriekapitalismus im 20. Jahrhundert. Die ehemalige EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, Meglena Kuneva, stellte mit Blick auf Netzbetreiber und Großunternehmen bereits vor mittlerweile mehr als 10 Jahren fest: „Personal data is the new oil of the Internet and the new currency of the digital world“ (Speech 09/156, 31.3.2009).

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24 Aug

Was können wir von der Philosophie lernen, um Diskriminierung im Gesundheitswesen entgegenzuwirken?

Maximiliane Hädicke auf Basis des gemeinsamen Aufsatzes mit Claudia Wiesemann, der in der Ethik in der Medizin (EiM) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Seite der EiM kostenlos heruntergeladen werden und entstand im Rahmen des BMG-geförderten Forschungsprojekts Trans*Kids.

Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden:


Wird von Diskriminierung gesprochen, geht es um eine spezifische Form der Ungleichbehandlung. Doch worin genau liegt die Spezifik? Darüber wird in der Philosophie anhaltend diskutiert (vgl. Klonschinski 2020). Obwohl die Debatte um den Begriff kontrovers ist und mitunter sehr abstrakt geführt wird, lassen sich auch für die Praxis wichtige Überlegungen extrahieren. Ein Ziel unseres Aufsatzes war es, diese für das Handlungsfeld der Medizin und die anwendungsorientierte Debatte der Medizinethik aufzubereiten. So ist es, etwa für im Gesundheitswesen tätige Personen wichtig, identifizieren zu können, wer von Diskriminierung betroffen sein kann. Im Folgenden werden drei Argumentationsstränge zu dieser Frage skizziert und ein kurzer Ausblick auf ethische Schlussfolgerungen für die Praxis gegeben.

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15 Sep

Diskriminierung durch maschinelles Lernen

Von Heiner Koch (Duisburg-Essen)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist.


Maschinelles Lernen – oft auch als Künstliche Intelligenz verhandelt – birgt die Gefahr von neuen Formen der Diskriminierungen, die darüber hinaus auch noch schwer erkennbar sein können. Der Einsatz maschinellen Lernens in sensiblen Bereichen muss daher so erfolgen, dass Diskriminierungen erkennbar sind – oder es muss auf den Einsatz verzichtet werden.

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25 Aug

„Disabled lives matter“ – Diskriminierung behinderter Menschen durch Pränataltestung?

Von Regina Schidel (Frankfurt am Main)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. 


„[W]ir wollen nicht mehr abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben.“ (Dedreux 2019) Vor einem guten halben Jahr wurde durch den Gemeinsamen Bundesausschuss – dem höchsten politischen Entscheidungsgremium der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland – beschlossen, dass ein einfacher vorgeburtlicher Bluttest auf Trisomien und damit auf das Down-Syndrom im Fall von Risikoschwangerschaften Bestandteil der Versorgung der gesetzlichen Gesundheitsfürsorge werden soll. Die genaue Regelung steht für Ende 2020 aus. Menschen mit Behinderung fühlen sich durch eine mögliche Standardisierung pränataler Testung auf das Down-Syndrom angegriffen und marginalisiert, so bringt das Zitat der Aktivistin Natalie Dedreux, die das Down-Syndrom hat, zum Ausdruck. Inwiefern kann die These einer Diskriminierung durch Pränataltestung auch philosophisch erhärtet werden?

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24 Jul

Gruppenbezogene Benachteiligung. Précis zu „Diskriminierung und das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit“

von Hauke Behrendt (Stuttgart)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. Der Beitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden:


Der Diskriminierungsbegriff ist bis heute umkämpft. Obwohl die meisten philosophischen, rechtlichen und politischen Diskussionen davon ausgehen, dass Diskriminierung falsch ist und verboten sein sollte, sind die begrifflichen Voraussetzungen und genauen Anwendungsdetails noch immer strittig. Um ein moralisches wie rechtliches Diskriminierungsverbot richtig beurteilen und ggf. sauber umsetzen zu können, ist es daher erforderlich, gründlich zu bestimmen, was eine diskriminierende Behandlung im Kern ausmacht. Dafür müssen explizite Kriterien formuliert werden, die den Tatbestand präzise auf den Begriff bringen.

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16 Jul

Huxleys Albtraum. Über verwerfliche Diskriminierung und die Rolle des Staates

von Michael Oliva Córdoba (Hamburg)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist.


Was ist Diskriminierung? Wann ist sie verwerflich? Dies sind philosophisch heikle Fragen. Mein Beitrag stellt sie in den Zusammenhang der Arbeiten Larry Alexanders und Kaspar Lippert-Rasmussens. Anders als diese Denker nehme ich jedoch primär die Perspektive der Politischen Philosophie ein. Wer einerseits schon mal von einer Meute rechtsradikaler Fußballfans mit „Ausländer raus!“-Rufen durch die Straßen gescheucht wurde, und andererseits auf dem zuständigen Amt um seine Einbürgerung bangen musste, weil er als Jugendlicher demonstrieren gegangen war, der weiß, dass sich beides sehr unterschiedlich anfühlt. Es macht eben einen großen Unterschied, ob mich meine Mitbürger beim Bäcker oder an der Ampel scheel ansehen, oder ob mir dies auf der Wache, auf dem Amt oder vor Gericht widerfährt. Etwas Größeres ist hier im Spiel. Der Blick ‚allein‘ auf das verabscheuungswürdige Verhalten fragwürdiger Individuen fängt dies nicht ein. Im Gegenteil, ein so verengter Blick kann diesen Unterschied sogar verschütten.

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15 Jan

#MeToo und die akademische Philosophie

Von Norbert Paulo (Graz & Salzburg)


Was #MeToo mit der akademischen Philosophie zu tun hat? Leider eine Menge. Die #MeToo-Debatte betrifft zwar vor allem sexuelle Gewalt, darüber hinaus aber auch andere systematische Benachteiligungen wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe innerhalb bestehender Machtverhältnisse. Ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir an den Universitäten Philosophie betreiben, solchen Benachteiligungen förderlich ist. Die Lösung ist simpel: Wir sollten anders Philosophie betreiben.

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