19 Mai

Zeiten der Pandemie – Zeiten der Improvisation?

Von Claus Beisbart (Bern)


Die Pandemie hat so manchen Plan durchkreuzt. Einige halten daher das Improvisieren für angesagt und ziehen eine Parallele zur künstlerischen Improvisation. Doch ein genauerer philosophischer Blick zeigt: Was wir in Zeiten der Pandemie tun, kann zwar aus einer langfristigen Zeitperspektive als Improvisieren gelten. Doch im Detail geht künstlerische Improvisation anders.

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12 Mai

Alle zusammen oder jeder allein? Der Wert von (un)einheitlichem Handeln in unsicheren Zeiten

Von Moritz Schulz (Dresden)


In diesen Tagen verabschiedet die Bundesregierung ein Gesetz, dass die Länder in einigen Aspekten der Pandemiebekämpfung zu einheitlichem Handeln verpflichtet. Wann und warum ist einheitliches Handeln eigentlich wünschenswert? Dieser Beitrag soll zeigen: ob (un)einheitliches Handeln gut oder schlecht ist, hängt stark vom Ausmaß der Unsicherheit ab. Bei großer Unsicherheit verspricht uneinheitliches Handeln einen Zuwachs an Informationen. Umgekehrt gilt aber auch: je besser man Bescheid weiß, desto mehr spricht für einheitliches Handeln.

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06 Apr

Die bedrohliche Effizienz einer Lehnstuhlökonomik. Über die Existenzvergessenheit herrschender Wirtschaftstheorien und das gesellschaftspolitische Potential der Pandemie

Von Manuel Schulz (Jena)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.


Die sich im Frühjahr des Jahres 2020 verbreitende Einsicht, dass es sogenannte ‚systemrelevante‘ Berufsgruppen gibt, die eine existenzielle Aufgabe in unserer Gesellschaft übernehmen, schien ebenso logisch wie überraschend. Logisch, da es bei nur kurzem Nachdenken ganz offensichtlich ist, dass wir abhängig von einem funktionierenden Gesundheitswesen und gefüllten Supermarktregalen sind. Überraschend aber auch, weil sich diese Einsicht derart schnell, sozusagen im Affekt bahn brach, dass sie sich kaum als das Resultat rationaler Erwägungen und vernünftiger Einsicht erklären lässt. Was ist geschehen?

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23 Mrz

Eine Frage der Berührung

Barbara Schellhammer (München)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.

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Gerade in Ausnahmesituationen rücken Menschen zusammen – eigentlich. Das ist in Zeiten des Coronavirus anders, denn hier gilt das Gebot des „social Distancing“. Wir sind, wie dies Angela Merkel, mit Verweis auf eine „scheinbar paradoxe Sache“, ausdrückte, aufgefordert, Solidarität zu zeigen, indem wir Abstand halten. Weniger ambivalent und scheinbar glasklar klingt die Sache beim österreichischen Kanzler Sebastian Kurz: „Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel“. Wie bei vielen, die hinsichtlich der Bedrohung durch das Virus vor allem biopolitisch argumentieren, zeigt sich auch hier eine schwerwiegende Missachtung unserer (Zwischen-)Leiblichkeit. Nicht selten hört man dann noch beschwichtigend, beim „social Distancing“ handle es sich ja eigentlich „nur“ um ein „physical Distancing“. Es ist sicher auch richtig, dass wir die Bedeutung von uns nahestehenden Menschen, die uns sonst kaum in den Sinn kommen, besonders deutlich spüren, wenn wir ihnen nicht mehr begegnen dürfen. Einige sprechen hier von einer „Dialektik der Distanz“ oder von einer „neuen Nähe“, die sich gerade aus der Distanz ergebe.

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18 Feb

Kleinkinder und Corona

von Monika Platz (München)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.


Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder sollen nur im äußersten Notfall geschlossen werden – das schien lange Konsens in der Pandemiebekämpfung in Deutschland zu sein. Zu negativ waren die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown. Dieser Konsens aber hat sich als fragil erwiesen. Er bröckelte seit Beginn der zweiten Welle im Herbst und wurde mit der neuerlichen Schließung der Betreuungseinrichtungen im Dezember 2020 begraben. Umso dringlicher ist es, aus kinderethischer Perspektive aufzuzeigen, warum es für das Wohlergehen der Kleinkinder so wichtig ist, Betreuungsstrukturen in den Einrichtungen aufrecht zu erhalten und den Kindern damit ein großes Stück Normalität zu ermöglichen.

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05 Feb

Sicherheit auf Kosten von Freiheit und Lebensqualität?

Warum richtiges Handeln in der Coronakrise nicht nur von Expertenwissen abhängt

Von Gerhard Schurz (Düsseldorf)


Selten hatten medizinische Experten soviel politische Macht und wurden andererseits so massiv angezweifelt. Dieser Essay möchte zur Klärung dieses Widerspruchs beitragen. Aber nicht, wie bei Gegnern von Corona-Schutzmaßnahmen üblich, indem medizinisches Faktenwissen mit fragwürdigen Argumenten bezweifelt wird. Stattdessen soll der Blick für den Unterschied zwischen den Fakten und Wertentscheidungen geschärft werden. Epidemologie-Experten können uns sagen, welche Verzichtsmaßnahmen die Infektionsraten so-und-so niedrig halten können. Aber ob diese Verzichtsmaßnahmen die damit erreichten Wirkungen wert sind, durch sie legitimiert werden, ist keine medizinische Frage, sondern eine Wertentscheidung. Ohne ethische Prämissen folgen aus Fakten keine Werte oder Normen; in der Philosophie spricht man hier auch von naturalistischen Fehlschluss oder Sein-Sollen Fehlschluss. Für die Wertentscheidungen in der Coronafrage sind Wissenschaften wie Psychologie, Ökonomie und Philosophie ebenso wichtig wie Medizin und Epidemologie. Letztlich aber ist diese Wert­entscheidung von allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes im Rahmen unserer parlamentarischen Demokratie vorzunehmen. Als ich unlängst in einer Tageszeitung las, „die Mediziner haben ein Urteil gefällt, das wir umsetzen müssen“,[1] schämte mich dafür, für wie unmündig die Medien die Bürger ihres Landes einstufen.

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02 Feb

„King of my castle“ oder Knecht im Home-Office? – Die Bedeutung von #stayathome für das Erleben des Privaten

Von Eike Buhr (Oldenburg)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.


Wir schätzen unsere private Wohnung nicht nur als Dach über dem Kopf, sondern auch als Ort des Rückzugs und der Erholung. Im Rahmen der erlassenen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie darf man aber weder beliebig viele Freunde und Verwandte nach Hause einladen noch die Wohnung zu beliebigen Zwecken verlassen. Wenn Arbeit, Kindererziehung und Freizeit unter einem Dach stattfinden, lässt sich dann wirklich noch von Erholung und Rückzug sprechen? Inwiefern haben die erlassenen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen unser Erleben des Privaten verändert? Kann hier sogar von einem unzumutbaren staatlichen Eingriff in unsere Privatsphäre gesprochen werden?

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