20 Apr

Macht der Glaube an ein Schicksal faul?

Foto von Artem Maltsev auf Unsplash

Von Ronja Hildebrandt (Humboldt-Universität Berlin)

Ist es Zufall oder Schicksal, wenn man seine zukünftige Partner*in trifft oder den Traumjob bekommt, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war? War es Zufall oder Schicksal, dass man Covid-19 bekommen hat oder davon verschont geblieben ist? Der Glaube, dass alle Ereignisse vorherbestimmt sind, ist für manche Menschen beruhigend: Alles erscheint nach einem Plan zu geschehen, den wir vielleicht nur nicht verstehen. Einer der berühmtesten antiken Philosophen seiner Zeit, Alexander von Aphrodisias (um 200 n.u.Z.), wendet allerdings ein, dass ein solcher Glaube faul mache. Stimmt das?

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14 Mrz

Zufall bei Aristoteles

Schiefertafel mit der Aufschrift possibile

Von Ursula Wolf (Mannheim)


Aristoteles behandelt in seinen Schriften mehrere Begriffe und Problemkontexte, die im weiteren Sinn mit dem Zufall zu tun haben. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Bereich des Zufälligen findet sich in der Physikabhandlung, er spielt aber ebenso eine Rolle in der Ethik.

1. Zufall in der Natur

Gegen diejenigen Theorien, welche das Seiende als Eines und Unbewegliches auffassen, beginnt Aristoteles seine philosophische Befassung mit der Natur im ersten Buch der Physik mit dem Hinweis, dass wir aufgrund von Erfahrung wissen, dass zur Natur Bewegung hinzugehört (185a13 f.). Dabei versteht Aristoteles Bewegung als eine Veränderung an Stoffen oder Dingen, welche in deren Vermögen (dynamis) verankert ist. Naturdinge wirken so aufeinander ein, dass sie aktive Vermögen haben, eine Veränderung zu bewirken, und passive Vermögen, eine Veränderung zu erleiden. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass das Zusammenwirken nicht „zufällig“ ist. Es kann nicht Beliebiges (tychon) zusammenwirken oder Beliebiges aus Beliebigem entstehen, sondern etwas kann nur aus dem konträren Gegenteil hervorgehen (188a31 ff.). Ein Ding kann nur schwarz werden, wenn es vorher weiß war (oder etwas zwischen beidem in demselben Spielraum des Farbigseins). In gewissem Sinn allerdings kann auch das Runde weiß werden, jedoch nicht einfachhin, sondern im akzidentellen Sinn (kata symbebekos), das heißt, sofern das Weiße (z. B. der weiße Tisch) „zufällig“ (außerdem, nebenher) rund ist.

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14 Nov

Antike, Kunst und Literatur. Ein Blick in die Basler Vorlesungen Friedrich Nietzsches.

von Carlotta Santini (Paris)


‚Friedrich Nietzsche und die Philologie‘ gilt seit einigen Jahren als ein echtes Schlagwort in der Nietzsche-Forschung. Viele bemerkenswerte Arbeiten haben sich schon darum bemüht, die Beziehung Nietzsches zur klassischen Philologie, zu ihren Methoden und ihren Perspektiven durch die Bestimmung und Bewertung derjenigen Faktoren zu rekonstruieren, die später für seine philosophische Reflexion fruchtbar geworden sind. Der ‚Philologe Nietzsche‘ ist in der Tat viel mehr als eine kurze Phase im Leben des ‚Philosophen Nietzsche‘. Erstens war diese Phase nicht kurz, denn sie umfasst die gesamte schulische und universitäre Ausbildung Nietzsches sowie die zehn Jahre seiner akademischen Lehrtätigkeit (bis 1879), die er nach dem in jungen Jahren erhaltenen Ruf auf den Lehrstuhl für Griechische Sprache und Literatur der Universität Basel ausübte. Zweitens war es nicht nur eine Phase, denn seine klassische Ausbildung, sein kulturelles Vermögen und seine Kenntnisse des Altertums übertrafen an Tiefe alle anderen Bereiche der Bildung Nietzsches und blieben immer die allerersten Quellen, aus denen er seine Gedanken und die Vorbilder für seine philosophischen Untersuchungen schöpfte.

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