19 Mrz

Epistemische Handlungsfähigkeit in Unterdrückungskontexten: Kann Schweigen (epistemischer) Widerstand sein?

Von Hilkje C. Hänel (Potsdam)

In diesem Beitrag soll ein Fokus auf der epistemischen Handlungsfähigkeit oder Agency marginalisierter Wissender liegen; also jenen Personen, die oftmals systematisch von ungerechten epistemischen Praktiken betroffen sind. Tatsächlich betrachtet der hier gewählte Fokus, ein philosophisches Feld, dass Philosoph*innen of Colorebenso wie indigene Philosoph*innen schon seit langem bespielen. Im Folgenden wird zunächst betrachtet, wie Theorien der Handlungsfähigkeit mit Unterdrückungskontexten umgehen – und leider teilweise an deren Komplexität scheitern –, um dann zu zeigen, dass epistemische Handlungsfähigkeit als widerständige Handlungsfähigkeit auch ganz anders gedacht werden kann. Dabei kann aber selbstverständlich nur ein kleiner Einblick gegeben werden, der den Theorien, die sich mit epistemischem Widerstand auseinandersetzen sicher nicht gerecht werden kann. Hier soll vielmehr angedeutet werden, dass die Debatte um epistemische Ungerechtigkeit viel komplexer und größer ist als oftmals angenommen.

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13 Jul

Geschlechtergerechte Sprache. Eine ethische Reflexion

Von  Janina Loh (Stiftung Liebenau & Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)


Am 14. Juli 2023 ist International Non-Binary People’s Day. Als einer meiner persönlichen Lieblingstage im Jahr ist das eine gute Gelegenheit, ein paar Gedanken zu einem Thema von nach wie vor hartnäckiger Aktualität loszuwerden. Fast scheint es, als würde sich hierüber die Gesellschaft immer offensichtlicher polarisieren. Es geht um die geschlechtergerechte Sprache.

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20 Jun

Gerotechnologie – wo endet die Selbstbestimmung?

Von Franziska Sonnauer (Universitätsklinik Erlangen)


Zunehmende Digitalisierung, höheres Lebensalter und „Pflegemangel“ sind Treiber für eine stärkere Anwendung intelligenter Technologien im eigenen Wohnzimmer. Wie wollen wir altern und mit unserem eigenen Unterstützungsbedarf umgehen? Bedeutet Technologieeinsatz ein Mehr an Selbstbestimmung oder besteht die Gefahr von Fremdbestimmung? Die Antwort auf diese Fragen sollte nicht als Dichotomie, sondern als Kontinuum verstanden werden. Der Übergang („Kipp-Punkt“) zwischen Selbst- und Fremdbestimmung erfordert und eröffnet ethische Analysen.

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18 Mai

Chat GPTs als eine Kulturtechnik betrachtet – eine philosophische Reflexion

Von Sybille Krämer (Leuphana Universität Lüneburg)


Meine Überlegungen wollen beschreiben und ein Stück weit verstehen, was geschieht und was möglich sein wird angesichts von Chatbots (beispielsweise Chat GPTs), die  gegenwärtig Furore machen. Mein Blick ist kulturtechnisch präformiert und philosophisch grundiert.  Es geht mir in diesem Blog nicht darum, diese Version Künstlicher Intelligenz zu kritisieren oder ihre Mängel zu reklamieren, denn das wird vielfach schon getan. Und die Fehler von heute sind die Fortschritte von morgen. Ich möchte vielmehr nachdenken über das, was die Leistungen der Chabots aussagen über die ‚Natur‘ der Sprache, das Kommunizieren und Verstehen, sowie das Mensch/Maschine Verhältnis.  

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11 Apr

Ethics by Chat? Die großen Sprachmodelle im Kontext der Maschinenethik

Von Catrin Misselhorn (Göttingen)


ChatGPT und Konsorten scheinen eine neue Ära der Künstlichen Intelligenz (KI) einzuläuten. Auf einmal kann man mit einer Maschine über Gott und die Welt kommunizieren wie mit einem Menschen. Das gilt auch für ethische Fragen, wie ein Simultaninterview nahelegt, in dem einer Medienethikerin und ChatGPT dieselben Fragen zu den Chancen und Risiken des Chatbots gestellt wurden.[1] Die Antworten weisen einen erstaunlich hohen Grad an Übereinstimmung auf, wenngleich mit durchaus bedeutsamen Akzentsetzungen in den jeweils angesprochenen Gesichtspunkten und ihrer Gewichtung. Nun gibt es derartige Unterschiede auch zwischen menschlichen Ethiker:innen. Das zeigt sich, um beim Beispiel zu bleiben, etwa an den unterschiedlichen ethischen Stellungnahmen zu den großen Sprachmodellen.[2] Bedeutet das, dass nun auch die Ethik automatisiert werden kann? Diese Frage führt uns in das Themenfeld der Maschinenethik, zu deren Kernproblemen gehört, ob Maschinen moralische Akteure sein können.

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28 Feb

Über die Wegerfindung der Cancel Culture

Von Dieter Schönecker (Siegen)


Seitdem der Streit über die sogenannte Cancel Culture (CC) angefangen hat, wird immer wieder behauptet, dass es sie im Grunde gar nicht gebe; Sebastian Huhnholz [1], Steffan Lessenich [2] und Jan-Werner Müller [3] sind bekannte Vertreter dieser These. Der Stanforder Literaturwissenschaftler Adrian Daub hat nun sogar ein dickes Buch (Cancel Culture Transfer. Wie eine moralische Panik die Welt erfasst, Suhrkamp 2022) geschrieben mit dem Ziel, eben diese CC-Leugnung umfassend zu verteidigen: So etwas wie eine CC als breites, ernstzunehmendes Problem gebe es nicht oder nur „angeblich“ (eine von Daub dutzende Male gebrauchte Vokabel) und sei jedenfalls nicht belegt. Vielmehr beruhe die Debatte um CC nur, so Daub, auf „Anekdoten“ (davon ist ständig die Rede) und „Einzelfällen“ (10, 191, 281) und sei daher auch nur Ausdruck einer „moralischen Panik“ (so schon im Buchtitel), der als hysterisches Gefühl der Bedrohung in der Realität nichts entspreche; um die Realität der CC zu bezweifeln, verwendet er auch Ausdrücke wie „Mär vom zensurwütigen linken Amerika“ (18), „Fabel“ (20), „Posse“ (20), „Bagatelle“ (22), „Provinzposse“ (47), „Lappalie“ (29), „jahrzehntealte Zwischenfälle“ (29), „holzschnittartige Erzählung“ (29), „ritualisierte Wiederholung“ (37), „reißerische Neubeschreibung klassischer akademischer Auseinandersetzungen“ (47), „eklatante Banalität“ (50, 315), „Legende“ (168, 201, 203), „urban legend“ (201), „Mythos“ (201), „Folklore“ (201), „Privatmythologie“ (315), „relativ kontextfreie Beispiele“ (321). Zudem sei die CC-Debatte auch nicht neu, sondern nur eine neuerliche Variante (u. a.) der Kritik an der Political Correctness, die in Europa aus antiamerikanischen Motiven heraus importiert worden sei, um dem vermeintlichen Exporteur die Schuld zu geben.

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27 Okt

Politik für das Postwachstum

Von Max Koch (Lund)


Ein halbes Jahrhundert ist seit der Publikation der bahnbrechenden Studie zu den „Grenzen des Wachstums“ von Meadows et al. vergangen. Seitdem hat die Literatur der ökologischen Ökonomie, des Postwachstums (Degrowth) und der nachhaltigen Wohlfahrt (sustainable welfare) immer wieder darauf hingewiesen, dass eine umfassende ökologisch-soziale Transformation möglichst bald eingeleitet werden müsste, um westliche Produktions- und Konsumtionsmuster mit planetarischen Grenzen in Einklang zu bringen. Da es dem vom politischen Mainstream seit Jahrzehnten zelebrierten „grünen Wachstum“ an empirischer Evidenz fehlt (Haberl et al. 2020), muss bei den erforderlichen gesellschaftlichen und ökonomischen Umstellungen auf weiteres Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verzichtet werden – zumindest im globalen Norden.

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06 Sep

Neutralität oder Autorität? Warum wir Schöneckers Beitrag veröffentlichen

Von Norbert Paulo (Graz & München)


Heute haben wir auf praefaktisch einen Beitrag von Dieter Schönecker veröffentlicht. Vermutlich werden die Meinungen zu diesem Beitrag weit auseinandergehen. Die Frage, ob wir ihn veröffentlichen sollen, hat uns einiges Kopfzerbrechen bereitet. Warum wir uns für die Veröffentlichung entschieden haben, will ich hier kurz erklären.

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06 Sep

Die Sittenwächter von PhilPublica oder über den Mangel an Einbildungskraft

Von Dieter Schönecker (Siegen)


Seit etwa dreieinhalb Jahren gibt es PhilPublica, ein Portal, das man nicht missen möchte. Es sammelt an einem übersichtlichen Platz Beiträge von Philosophinnen und Philosophen, die in verschiedenen Medien Stellung beziehen zu philosophischen und (im weiteren Sinne) politischen Themen. Eine von der DGPhil und der GAP eingesetzte Arbeitsgruppe (AG) sucht die Beiträge aus. Es ist eine Serviceleistung, die es einfacher macht, auf dem Laufenden darüber zu bleiben, was die Kolleginnen und Kollegen in der breiteren Öffentlichkeit erörtern und diskutieren. So weit, so sehr gut.

Vor kurzem habe ich PhilPublica vorgeschlagen, einen Beitrag mit dem Philosophen Michael Esfeld und dem Juristen Titus Gebel zu verlinken, der bei indubio publiziert wurde, dem podcast von Achgut.com. Das wurde abgelehnt. Hier ist die Begründung (ich zitiere mit Erlaubnis der AG):

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23 Jun

Prafeaktisch sucht Verstärkung!

Wir betreiben den Philosophieblog praefaktisch nun seit über 4 Jahren und er hat sich zu einem wichtigen Medium in der deutschsprachigen Philosophie entwickelt. Nun suchen wir Verstärkung für unser Team. Falls Du Interesse hast den Blog gemeinsam mit uns zu betreiben und weiterzuentwickeln, dann melde Dich bitte bis 15. Juli 2022 bei uns unter blog@praefaktisch.de. Wir freuen uns über Deine Kontaktaufnahme mit kurzen Hinweisen zu Deiner Person (wer Du bist und was Du machst) und warum Du gerne bei uns mitmachen willst. Falls Du bereits Ideen hast, wie wir den Blog weiterentwickeln und verbessern könnten, dann schreib uns das bitte auch gleich.

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