28 Aug

Zeit der Zuschauer

von Christoph Schamberger (Berlin)


Wolfram Eilenberger erhebt in der ZEIT[1] schwere Vorwürfe gegen die deutsche akademische Philosophie. Zum einen gingen ihre Arbeiten den großen, drängenden Fragen unserer Zeit aus dem Weg und seien inhaltlich uninteressant – zumal für die breite Öffentlichkeit. Zum anderen habe sie auch international kaum noch Einfluss und biete keine Impulse für gegenwärtige Debatten: „Die deutschsprachige Philosophie erlebt derzeit ihren geschichtlich schwächsten Moment.“ Eine Ursache für diese Entwicklung sieht Eilenberger darin, dass die meisten Philosophen, insbesondere die jüngeren, ihren Ehrgeiz in das Verfassen englischer Zeitschriftenaufsätze stecken. Diese Artikel sind aber so spezialisiert, dass sie nur von ganz wenigen Experten gelesen und verstanden werden. Weiterlesen

14 Aug

Wissenschaftssprachen und Businessmodelle

von Christoph Schirmer (Berlin, de Gruyter)


Zeitschriftenartikel werden in der Philosophie immer wichtiger. Die regelmäßigen Evaluierungen von Wissenschaftler*innen und Instituten verlangen nach hochfrequentem Output, der mit Büchern in der Regel nicht erbracht werden kann. Auch die Teammitglieder langjähriger Forschungsprojekte, die z.B. von der ERC gefördert werden, bringen ihre jeweiligen Forschungsergebnisse zunehmend eher in einzelnen Zeitschriftenartikeln heraus, den klassischen Projektband gibt es nur noch zum Abschluss.

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26 Jul

Philosophiezeitschriften: wofür sie gebraucht und wie sie gemacht werden könnten

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Zeitschriften erfüllen zumindest drei Funktionen für Philosoph_innen: Sie bieten den Autor_innen die Möglichkeit, ihre Texte zu veröffentlichen. Sie bieten den Herausgeber_innen die Möglichkeit, die Texte anderer zu veröffentlichen. Sie bieten den Leser_innen (aka der peer group, weil wer anderer ist es meistens nicht) die Möglichkeit, diese Texte zu lesen. Für die Autor_innen und Herausgeber_innen sind mit diesen Tätigkeiten weitere Vorteile (auch einige Nachteile) verbunden: sie können Leser_innen finden und mit ihrer peer-group interagieren, Prestige und Satus aus der Veröffentlichung bzw. Herausgabe ziehen (was wiederum relevant für die Karriere etc. ist), eventuell damit Geld verdienen (über die VG Wort, sonst eher nicht) und ihren Job gegenüber ihrem Arbeitgeber (der sie u.a. für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Texte bezahlt) und auch anderen rechtfertigen (z.B. gegenüber Freunden und Verwandten, die manchmal fragen, was man als Philosoph_in denn so eigentlich tut). Die Nachteile sind aber mitunter auch nicht ohne: es macht viel Arbeit, Zeitschriftenartikel zu schreiben und Zeitschriften herauszugeben (und auch zu begutachten, aber Gutachter_innen sind eine besonders gering geschätzte und unsichtbare Gruppe in dieser ganzen Sache). Es kann auch sehr frustrierend sein, wobei die Frustration nicht gleichmäßig verteilt ist und Autor_innen oft stärker darunter leiden als die Herausgeber_innen. Dann kommt das hohe Risiko dazu, enttäuscht zu werden – wiederum ein Risiko, das die Autor_innen schultern müssen. Und wessen Beiträge (fast) immer und (fast) überall abgelehnt werden, der ist mitunter in Gefahr, aus dem System rauszufallen (publish or perish heißt es für die vielen befristeten Kolleg_innen) oder das Feld zwecks Selbstschutz zu verlassen, weil es nur schwer zu ertragen ist, ständig zu lesen, dass die eigenen Arbeiten eigentlich Mist sind.

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28 Jun

Über Bücher schreiben. Utopie und Alltag einer Online-Zeitschrift

von der Redaktion der Zeitschrift für philosophische Literatur


In diesem Herbst wird die Zeitschrift für philosophische Literatur (www.zfphl.de) ihren fünften Geburtstag feiern. Wenn unsere Rezensent_innen und Gutachter_innen weiterhin mit so großem Enthusiasmus und Fleiß zu Werke gehen wie bisher, werden wir dann etwa 150 Rezensionen neuer Bücher veröffentlicht haben. Diese erfreulich große Bereitschaft, Rezensionen zu schreiben, und die steigenden Zahlen unser Leser_innen lassen begründet vermuten, dass die Zeitschrift eine Lücke füllt. Nicht, weil es keine andere Möglichkeit gäbe, Rezensionen zu veröffentlichen, aber weil der Charakter so langer Rezensionen, wie die Zeitschrift für philosophische Literatur sie publiziert, ein anderer ist, als wenn ein Buch auf wenigen Zeilen zusammengefasst werden muss und bestenfalls in einer knappen Bemerkung kritisch beurteilt werden kann. Zudem erscheinen diese Rezensionen online und frei verfügbar (Open Access) – sie sind insofern für ein größeres Publikum sichtbar und helfen, so hoffen wir, Philosoph_innen (vorwiegend deutschsprachige) rascher über neue Bücher zu informieren.

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12 Jun

Retourgang. Von der Exzellenz zur Konvenienz

von Herbert Hrachovec (Wien)


Die „European Science Foundation“ (ESF) hat ab 2002 den Versuch unternommen, eine Qualitätsprüfung sämtlicher europäischer Fachjournale in den Humanwissenschaften in die Wege zu leiten. An das traurige Schicksal des Vorhabens ist zu erinnern. Dann wird berichtet, was weiter aus ihm geworden ist. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung folgen zwei Provokationen, gerichtet an die Adresse der philosophischen Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum.

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05 Jun

Wind mit Feuerzungen: Zur Sprache philosophischer Zeitschriften

von Petra Gehring (Darmstadt)


1.

Zu Beginn ein Vergleich. Die Lage deutschsprachiger philosophischer Zeitschriften ähnelt einer Wanderung, die sich nicht aufschieben lässt – im Dunkeln, während Blitzeis sich einstellt und mit unpassendem Schuhwerk. Massive Randbedingungen wirken sich auf jede Bewegung unvorhersagbar aus. Wobei die Randbedingungen je für sich Veränderungen sind. Veränderungen, mit denen wir weniger Erfahrung haben als mit Nacht, Blitzeis oder der Tatsache, dass die Sohle rutscht.

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24 Mai

Herausforderung Neugründung einer philosophischen Fachzeitschrift

von Martin Hähnel (Eichstätt), in Absprache mit den Herausgeber_innen der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie


Kurz über uns

Die Gründung einer philosophischen Fachzeitschrift wie der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie (kurz: ZEMO) ist eine Herausforderung besonderer Art, da der Markt, vor allem der internationale, für Zeitschriften auf diesem Gebiet annähernd gesättigt zu sein scheint. Gleichwohl denken wir, dass auch hier wichtige Nischen noch unbesetzt geblieben sind. Auf einige dieser Nischen, die wir als Editorial Board gezielt nutzen wollen, möchten wir im Folgenden zu sprechen kommen. Damit die Besetzung dieser Leerstellen auch gelingen kann, sind wir froh, dass wir mit dem Metzler Verlag, welcher seit 2015 Teil von Springer Nature ist, einen traditionsreichen und starken Partner gewinnen konnten, dessen Reputation und Professionalität nicht zuletzt unseren Autorinnen und Autoren zugutekommen wird.

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08 Mai

Shin-Kan-Sen oder: Vom Geist des Journals

von Harald Schwaetzer (Cusanus Hochschule)


Ruhig und gleichmäßig rollt der Shinkansen Richtung Hiroshima. Ein eigentümlicher Ort, um über die Lage philosophischer Zeitschriften ein paar Gedanken aufs elektronische Papier zu bringen, schon gar als Mitherausgeber der „Allgemeinen Zeitschrift für Philosophie“, die bekanntlich dem klassischen Druck auf Papier zugetan ist.

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26 Apr

Herausforderungen für philosophische Zeitschriften und Jahrbücher in Deutschland

von Michael Reder (München)


Die Veröffentlichung philosophischer Forschung hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten stark gewandelt, auch in Deutschland. Wurden früher philosophische Arbeiten vor allem in Form von Monographien und als Beiträge in Sammelbänden publiziert, haben seitdem Veröffentlichungen in Zeitschriften und Jahrbüchern stetig an Bedeutung gewonnen. Zwar gab es auch schon früher wichtige Zeitschriften in Deutschland; allerdings fanden sich in diesen oftmals primär Veröffentlichungen renommierter Philosoph*innen und Lehrstuhlinhaber*innen.

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10 Apr

Die Entwicklung der fachwissenschaftlichen Zeitschriften – Sicht eines Verlages

von Andreas Beierwaltes (Springer: VS und J.B. Metzler) und Franziska Remeika (Springer: J.B. Metzler)


Es scheint so, als habe sich kein Publikationstypus in den letzten Jahren so stark gewandelt, wie der der wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Es ist noch nicht lange her, da wurden die Erfolgskriterien einer Zeitschrift bemessen an ihrem langen Bestehen (Tradition und Bedeutung), deren gedruckter Auflage bzw. der Zahl der Subskribenten (Reichweite), der Herausgeberschaft (Qualität) und manchmal auch an der Bedeutung des Verlages, in dem das Periodikum erschien – um nur ein paar Indikatoren zu nennen.

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