05 Okt

Wachstums-Schizophrenie

Von Richard Sturn (Graz)


Am Wirtschaftswachstum scheiden sich die Geister – oder sollte man besser von einer Schizophrenie moderner Gesellschaften sprechen? Wenn in Deutschland, Österreich, China oder anderswo die Wachstumsprognosen um einen halben Prozentpunkt nach unten korrigiert werden, dann folgen mit größter Selbstverständlichkeit augurenhafte Hinweise auf damit verbundene Schwierigkeiten für das betreffende Land – je nach Kontext allenfalls garniert mit Beschwichtigungen, wonach es schon nicht so schlimm kommen würde, zumal für das übernächste Jahr schon wieder ein Aufschwung in Sicht sei. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ist selten offener Widerspruch zu hören, wenn mit mehr oder minder dramatischem Unterton proklamiert wird, so könne es mit dem Wachstum nicht weitergehen, da wir ja keine zweite Erde zur Verfügung hätten.

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01 Sep

Philosophie und die Klimakrise: Ein Aufruf zum Wandel

Von Paul Schütze (Osnabrück) und Philipp Haueis (Bielefeld)


Die Klimakrise ist in vollem Gange. Schon jetzt sind die Aussichten verheerend. Inmitten dieser Krise stellen wir uns die Frage, was die Philosophie angesichts solcher Herausforderungen beitragen kann. Philosoph:innen können, wie alle anderen auch, zur Bewältigung der Krise beitragen. Aber wir argumentieren, dass sie dafür mit lang etablierten Praktiken brechen, institutionelle Grenzen in Frage stellen und die Klimakrise zu ihrem theoretischen Bezugsrahmen machen sollten. Die Dringlichkeit und Allgegenwärtigkeit des Problems erfordern, dass alle Fachrichtungen zusammenarbeiten und einen Beitrag leisten. Philosophieren in der Klimakrise bedeutet zu verstehen, dass sich jede Dimension unserer natürlichen, materiellen und sozialen Welt radikal verändern wird, auch die philosophische Praxis.

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17 Aug

Die philosophisch anspruchsvolle Hinterlassenschaft des Berichtes „Grenzen des Wachstums“

Von Eugen Pissarskoi (Tübingen)


Vor 50 Jahren ist der Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ erschienen. Seine Autor*innen – Donella H. Meadows, Dennis L. Meadows, Jørgen Randers und William W. Behrens III – behaupteten darin:

Wenn das weltweite Wachstum der Bevölkerung und der Industrieproduktion aufrechterhalten bleibt, wird die Menschheit mit hoher Sicherheit die Grenzen der Tragfähigkeit des Planeten innerhalb des 21. Jahrhunderts überschreiten – d. h. seine natürlichen Ressourcen und ökologische Aufnahmekapazität derart ausgeschöpft haben, dass wirtschaftliche Schrumpfungsprozesse aufgrund von natürlichen Knappheiten ausgelöst werden.

Diese Behauptung selbst war nicht neu. Neu war ihre Begründung mithilfe eines Weltmodells, das computergestützt nicht-lineare Dynamiken mit Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Systemen berechnete, die zuvor nicht berechnet werden konnten.

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09 Aug

Gerechtigkeit quo vadis? Die Suche nach Planetaren Grenzen & nach der ‚Natur‘ in Gerechtigkeitstheorien

Von Anna Wienhues (Zürich)


Es gibt jene Bücher, die wir lieben, und es gibt solche Bücher, welche uns prägen. Ein Buch, welches dazu beigetragen hat, dass ich mich jetzt ein Jahrzehnt nach dessen Lektüre mit Umweltphilosophie beschäftige, hat keinen philosophischen Anspruch. Das war der Bericht die Grenzen des Wachstums von 1972bzw. dessen Fortsetzung als Limits to Growth: The 30-Year Update von Donella Meadows und Kollegen (2004) des Club of Rome.

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05 Jul

Wie kompatibel sind Postwachstum und Sozialstaat?

Von Milena Büchs (Leeds)


Aus ökologischer Sicht ist die Kritik am Wachstum heute gut begründet. Doch oft werden Bedenken geäußert, dass soziale Ziele wie hohe Beschäftigung, Armutsbekämpfung und Umverteilung ohne Wachstum nicht zu haben sind: Sozialstaaten im globalen Norden sind vom Wachstum abhängig, so heißt es. In diesem Beitrag werde ich das Verhältnis von Wachstum und Sozialstaat kritisch diskutieren und Vorschläge für ökologisch kompatible Formen des Sozialstaats machen. Aus Platzgründen beschränke ich die Diskussion auf die Situation im globalen Norden, auch wenn es ebenso wichtig ist, die sozialen Konsequenzen von Postwachstum im globalen Süden zu beleuchten.

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14 Jun

Sustainable Development Goals und Postwachstum: Kritik der politischen Rhetorik

Von Christoph Henning (Erfurt)


Um der ökologischen Krise zu begegnen, ohne politisch unbeliebte Entscheidungen zu treffen, hat sich weltweit eine Zauber-Rhetorik verbreitet: Wir können alles ändern und zugleichweitermachen wie bisher. Diese global veröffentlichte Meinung manifestiert sich nicht nur in Parteiprogrammen, sondern auch in den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der UNO von 2015. Bei näherem Hinsehen lassen sie sich allerdings nur dann umsetzen, wenn sie mit einer Strategie der Reduzierung wirtschaftlichen Verbrauchs einhergehen, also mit Postwachstum. Das will dieser Blog zeigen.

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24 Mai

Grenzen des Wachstums oder Wachstum der Grenzen?

Von Ingo Pies (Halle-Wittenberg)


Das 1972 als Bericht an den Club of Rome publizierte Buch über die Grenzen des Wachstums hat in den letzten fünf Jahrzehnten eine ganz außerordentliche Wirkung entfaltet: Es hat der öffentlichen Diskussion über die nachhaltige Entwicklung der Weltgesellschaft ein intuitiv eingängiges Paradigma vorgegeben, einen Denkrahmen, der vorbestimmt, wie die Problemstellung gedacht wird sowie welche Problemlösungsoptionen ins Blickfeld geraten – und welche nicht.

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