12 Aug

Empathie-Förderung im Unterricht

Von Bettina Bussmann (Salzburg), Volker Haase (Freiburg), Angela Pühringer (Taufkirchen an der Pram)


Als vermeintlich wichtige Fähigkeit ist Empathie in den letzten Jahren zum öffentlichen Diskussionsthema geworden. Immerhin sind viele davon überzeugt, dass sie uns zu besseren Menschen macht, obwohl bislang kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Empathie und moralischem Handeln gezeigt werden konnte. Die unterschiedlichen Inanspruchnahmen gehen nicht zuletzt von den Unklarheiten aus, die sich in der Forschung schon bei der Frage auftun, was unter dem Begriff überhaupt zu verstehen ist. Vor diesem Hintergrund zeigt sich aber auch schnell, dass fachdidaktische Konzeptionen von Empathie als vermittelbare Kompetenz bislang zu kurz greifen und dass es entsprechenden curricularen Vorgaben und unterrichtsmethodischen Vorschlägen an der notwendigen Reflexionstiefe mangelt.

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22 Jul

Die Macht der Affekte

Von Mesut Bayraktar (Hamburg)


»Ich denke, also bin ich« heißt es bei Descartes. Der Affektenlehre Spinozas ließe sich die Frage voranstellen: Was bin ich, wenn ich nicht denke? Der Spielball äußerer Einwirkungen, die mich affizieren. Ich bin die „menschliche Ohnmacht“ und „Unfreiheit“, „denn der den Affekten unterworfene Mensch befindet sich nicht in seiner eigenen Gewalt, sondern in der des Schicksals, in dessen Macht er gefangen ist, sodass er oft gezwungen wird, dem Schlechteren zu folgen, obgleich er das Bessere einsieht.“[1] Ich bin – aber meine Freiheit ist die Freiheit eines anderen. Sie ist unter innerer oder äußerer Notwendigkeit subsumiert.

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20 Jul

Verdammt(e) Gefühle!? Vorschläge gegen Indifferenz und Gleichgültigkeit

Von Peggy H. Breitenstein (Jena)


Etwa zeitgleich mit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus haben sich eigentümlich widersinnige Reden im politischen Diskurs eingenistet: Paradoxe Formulierungen wie „alternative Fakten“, „postfaktische Politik“, „Postwahrheit“ zeigen ernsthafte Zweifel darüber an, dass über Tatsachen und Tatsachenwahrheiten eigentlich nicht gestritten werden kann. Zugleich wird diesem Zweifel auch vehement widersprochen. Dabei jedoch geraten immer wieder die Gefühle bzw. Emotionen in den Fokus, wird ihnen doch die Schuld an der Verwirrung zugeschrieben. Das Politische werde „emotionalisiert“ und Wahrheiten nur noch „gefühlt“, heißt es. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der eigentliche Fehler im Intellekt selbst liegt: im Versäumnis, begrifflich sorgfältig und verantwortungsvoll zwischen Meinung, Tatsachen und Tatsachenwahrheiten zu unterscheiden.

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01 Jul

Querfühlen statt Querdenken? Tocqueville zu Solidarität, Gemeinsinn und Individualismus in Zeiten von Corona

Von Sarah Rebecca Strömel (Regensburg)


Die QuerdenkerInnen-Bewegung ist seit geraumer Zeit in aller Munde. Woche für Woche reklamieren ihre VertreterInnen das kritische Denken und das Hinterfragen der Entscheidungen von etablierten PolitikerInnen für sich. Von Personen, die ihren Unmut über die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zum Ausdruck bringen möchten, über generelle ImpfgegnerInnen bis hin zu strikten Leugnern der Existenz eines Coronavirus, VerschwörungstheoretikerInnen und nationalistischen Akteuren, die jede Gelegenheit nutzen, ohne Maske und Abstandsregel ihre Parolen schwingen zu dürfen, ist alles dabei. Der folgende Text möchte zeigen, was Alexis de Tocqueville – kritischer Analytiker der Demokratie – zum Zusammenhang von Emotionen im Kontext des Politischen und dem Erstarken der QuerdenkerInnen-Bewegung beizutragen hat.

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15 Jun

Stolz und Vorurteil. Adaptive Erklärungen von Emotionen in der Evolutionspsychologie

Von Rebekka Hufendiek (Bern)


Stolz ist eine Emotion, die für viele Menschen recht unmittelbar nicht nur mit einem positiven Urteil über sich selbst und einem erhebenden Gefühl, sondern auch mit einer Reihe charakteristischer körperlicher Ausdrucksformen – wie einem siegesgewissen Lächeln, einem erhobenen Kinn und der sprichwörtlichen «Stolz geschwellten Brust» – assoziiert ist. Warum ist das so? Eine aktuelle Theorie aus der empirischen Psychologie beantwortet diese Frage folgendermaßen: Stolz hat sich bei uns als sozialen Wesen im Laufe der Evolution ausgebildet und lässt sich kulturübergreifend an den genannten Merkmalen erkennen. Diese Form des emotionalen Ausdrucks hat eine adaptive Funktion, da über ihn der soziale Status innerhalb der Gruppe kommuniziert wird: Der herausgestreckte Brustkorb und das erhobene Kinn gemeinsam mit dem siegesgewissen Lächeln signalisieren den anderen Mitgliedern der eigenen Gruppe, dass man sich selbst ganz buchstäblich für ein hohes Tier hält und diese Position gegebenenfalls auch zu verteidigen bereit ist.

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01 Jun

Von religiösen Eiferern und Fanatikern

Von Ruth Rebecca Tietjen (Kopenhagen)


Von religiösem Eifer ist allerorts die Rede: er wird angeführt, um religiös motivierte oder legitimierte Gewalt zu erklären, soll religiösen Fanatismus motivieren oder sogar mit konstituieren. Was aber ist religiöser Eifer? Wie hängt er mit religiöser Gewalt zusammen? Was trägt unsere jeweils eigene Perspektive auf Religion, Leidenschaft, Politik und Gewalt, die wir immer schon mitbringen und einnehmen, zu unserem Verständnis oder Miss-Verständnis religiösen Eifers bei?

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27 Apr

Ist es möglich, gemeinsam zu fühlen? Wie kollektive Emotionen in zwischenleiblicher Resonanz entstehen

Von Gerhard Thonhauser (Darmstadt)


Es scheint selbstverständlich, dass man nur seine eigenen Emotionen fühlen kann. Denn Emotionen sind an den Körper und an das Bewusstsein gebunden: Emotionen beruhen auf Prozessen, die in meinem Körper ablaufen, und sind Erfahrungen, die in meinem Bewusstsein erlebt werden. Daher können mir die Emotionen anderer niemals unmittelbar gegeben sein, denn ich habe keinen Zugang zu deren Bewusstsein und auch deren Körper kann ich nicht von innen erleben. Unmittelbar gegeben sind mir nur die Außenansichten der Körper der anderen, sodass ich anhand meiner Beobachtung ihrer Körper zu ergründen versuchen muss, was diese wohl Denken und Fühlen mögen. Doch in letzter Konsequenz werden mir die Anderen immer ein Rätsel bleiben, da ich mir nie sicher sein kann, ob diese wirklich Denken und Fühlen, was ich anhand meiner Deutung ihres Verhaltens von ihnen annehme. Entsprechend kann es auch kein echtes Miteinanderfühlen geben. Wir mögen uns zwar manchmal mit anderen so verbunden fühlen, dass wir annehmen, dasselbe zu fühlen; doch dies kann niemals wirklich der Fall sein, weil jede von uns letztlich immer nur ihre eigenen Emotionen fühlen kann. So etwas wie kollektive Emotionen gibt es nur in einem metaphorischen Sinn: Es mag zwar üblich sein, davon zu sprechen, dass wir uns freuen, aber das kann bei näherer Betrachtung nicht bedeuten, dass die Freude tatsächlich unsere Freude ist, sondern nur, dass unsere individuellen Emotionen der Freude irgendwie aufeinander bezogen sind.

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08 Apr

Das Affektive ist politisch. Eine schemenhafte Skizze des Zusammenhangs zwischen Affektivität und Politik

Von Jule Govrin (Berlin)


In politischen Prozessen kochen die Gefühle hoch, sei es in angriffslustigen Debatten in den digitalen Arenen, im erhitzten Schlagabtausch bei Polit-Talkshows, in aufgeregten Bundestagsdebatten, in wütenden Menschenmassen auf Demonstrationen oder in sensationslüsternen Berichterstattungen über tagespolitische Geschehnisse. Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, als hätten sich solche Gefühlsausbrüche in den letzten Jahren rasant vermehrt und verstärkt. Ertönen nicht öfter Beleidigungen und Buhrufe im Bundestag, seitdem dort die rechte Partei Alternative für Deutschland (AfD) eine Fraktion stellt, die die Provokation lustvoll zu zelebrieren scheint? Treten nicht selbst Politikerinnen, die vormals als gemäßigt galten, ungleich streit- und angriffslustiger auf? Hat nicht die Präsidentschaft Donald Trumps mit der Diskursethik des besseren Arguments gebrochen, um affektgeladenem Gebaren Platz zu machen? Drängen die digitalen Dynamiken, die Aggressionseskaladen in den sozialen Medien anheizen, die demokratische Öffentlichkeit ins Irrationale? Derartige Vermutungen gehen von einer Art Reinheitsthese der Politik aus, als brächen gegenwärtig Gefühle in die Vernunftsphäre der Politik hinein. Allerdings verkennt solch eine Einschätzung vorschnell, dass Politik und Affektivität weit über die Gegenwart hinaus in ganz grundlegender Weise miteinander verbunden sind. Der Mensch als Zoon politikon, als politisches Tier, wie ihn einst Aristoteles bezeichnete, war niemals reines Vernunftwesen. Wie Menschen von Begehren und Gefühlen bestimmt sind, so ist auch das Geschäft der Politik seit jeher von Leidenschaften geleitet. Um das verquickte Verhältnis von Gefühlen und Politik in den Blick zu bekommen, ist es hilfreich, zunächst den Begriff des Affekts unter die Lupe zu nehmen, um ihn anschließend in Zusammenhang zur Politik und zum Politischen zu setzen.

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11 Mrz

Emotionen und Handlungen

Von Christiana Werner (Duisburg-Essen)


Emotionen scheinen eine besonders enge Beziehung zu Handlungen oder Verhaltensweisen zu haben. Dass das ein Allgemeinplatz ist, legen unzählige Redewendungen nahe, die wir im Deutschen im Alltag benutzen: Wir erstarren vor Angst, platzen vor Wut, strahlen vor Freude usw. Auch das eigene Erleben emotionaler Zustände legt diese enge Beziehung nahe. Wir fühlen uns oft in einem emotionalen Zustand gewissermaßen gedrängt, uns auf eine bestimmte Weise zu verhalten, manchmal sogar so stark, dass wir den Eindruck haben, gar nicht anders zu können, als uns in dieser Weise zu verhalten.

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02 Mrz

Wie die Welt sich zeigt. Zum sozialen Wirken von Emotionen

Von Paul Helfritzsch (Jena)


Es wird in der Philosophie und generell in den Geistes- und Sozialwissenschaften schon seit längerer Zeit versucht, mit dem Diktum zu brechen, Emotionen seien willkürlich auftretende Phänomene, die nur in der ersten Person Singular artikuliert werden könnten und auch nur von der Person, die sie empfindet, verstanden werden können. Diese Vorstellung führt zu vielerlei Problemen und zu Unverständnis, wenn es darum geht, andere Personen, Personengruppen und Berichte über deren Situation zu verstehen.

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