21 Apr

Generationengerechtigkeit braucht individuelle Freiheit

Von Charlotte Unruh (München)


Mit Generationengerechtigkeit lassen sich im Moment viele politische Ziele begründen. Emilia Fester, die jüngste Abgeordnete im Bundestag, zeigte sich enttäuscht nach der Ablehnung der Impfpflicht im Bundestag. In der Debatte zur Impfpflicht hatte sie vor einigen Wochen zum Impfen für die Freiheit junger Generationen aufgerufen, sinngemäß: wer sich impfen lasse, stelle sicher, dass Kinder und Jugendliche frei von Maßnahmen durch den nächsten Herbst und Winter kommen. Freiheit: das klingt richtig und wichtig.

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06 Apr

Selbstbestimmung, Abhängigkeit und Solidarität in der Pandemie

Von Philip Schwarz (Göttingen)


Wenn es um die Aufhebung der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie geht, ist viel von „Freiheit“ die Rede. Wir müssen uns aber fragen, unter welchen Bedingungen wir überhaupt frei und selbstbestimmt sind. Die Berücksichtigung unserer verkörperlichten Bedingtheit zeigt uns, dass Freiheit Solidarität voraussetzt.

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15 Dez

Impfskeptizismus: Anthroposoph:innen in der Verantwortung

Von Matthias Kramm (Wageningen)


Wenn ich nun das Werk Rudolf Steiners analysiere, so durch eine wissenschaftsphilosophische Linse. Es geht mir nicht darum, das Werk oder die Person Rudolf Steiners in irgendeiner Weise zu verunglimpfen. Ich habe durchaus Sympathien für einige Aspekte seines Werks, insbesondere in den Bereichen der Ästhetik und der Pädagogik. Der anthroposophisch inspirierte Joseph Beuys zählt zu meinen Lieblingskünstlern und der holistische Ansatz der Waldorfpädagogik ist – wenn auch etwas aus der Zeit gefallen – eine spannende Alternative zum verkopften humanistischen Bildungsideal oder zu dessen neoliberal ausgehöhltem Nachfolgeparadigma.

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23 Nov

Uninformed Non-Consent: Widerspricht eine Impfpflicht dem Autonomieprinzip?

von Daniel Lucas (Marburg)


In Deutschland wird aktuell wieder über eine Impfpflicht – in medizinischen Berufen im Besonderen, aber auch im Allgemeinen – diskutiert. Grund dafür ist die niedrige Impfquote und die damit einhergehende Gewalt, mit welcher die vierte Corona-Welle auf die Bundesrepublik trifft. Während insbesondere der Schutz Dritter als Argument angeführt wird, lässt sich aber durchaus auch damit argumentieren, dass eine Impfpflicht zum Wohle der bisher Ungeimpften ist.

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13 Jul

Biopolitik und Vulnerabilität in der Corona-Pandemie

Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.


Von Sonja Gassner (Wien)


Seit dem Beginn der Corona-Pandemie steht die politische Philosophie vor neuen Herausforderungen. Unbestritten ist, dass es Maßnahmen zum Schutz der Menschen und zur Eindämmung des Virus bedarf. Im letzten Jahr hat sich jedoch gezeigt, dass diese vor allem dort greifen, wo es um die Gesundheit und die Leben sozial anerkannter und ökonomisch bessergestellter Bevölkerungsgruppen geht. Währenddessen sind ohnehin schon benachteiligte Gruppen in unverhältnismäßiger Weise vom Virus betroffen. Sei es durch den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Sozialsystemen und dem dadurch erhöhten Infektionsrisiko, sei es durch Arbeitslosigkeit oder unbezahlte Mehrarbeit – soziale Ungleichheiten spitzen sich weiter zu.

Michel Foucaults Konzept der Biopolitik sowie Donna Haraways und Judith Butlers Überlegungen zu Körperlichkeit, Immunität und Vulnerabilität bilden Ansätze, um die Ungleichverteilung von Vulnerabilität zu problematisieren.

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09 Jul

Wenn Selbstsorge das Schützen des ganzen Lebens impliziert: denn was kann wertvoller als das Leben sein?

Von Aracely R. Berny (Wien/Mexiko-Stadt)


Der Körper ist zerbrechlich, das Leben ist extrem zerbrechlich, es hängt sprichwörtlich am seidenen Faden. Es ist allgemein bekannt, dass der Oberbegriff „Krebs“, unzählige Missverhältnisse in der Entwicklung menschlicher Zellen umfasst und als unvorhersehbarer Feind noch immer schwer zu kontrollieren ist.

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06 Jul

Die Pandemie der Privatiers: Neoliberale Kontinuitäten in der Corona-Krise

von Jonas Heller (Frankfurt) & Katharina Hoppe (Frankfurt)


Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden politischen Maßnahmen wurden vielfach als massiver Eingriff in den Raum des Privaten erfahren. Weil in der Krise ein regulierendes Handeln des Staates spürbar wurde, erschien sie vielen als Unterbrechung. Wie die Folgen der Pandemie ist auch diese Erfahrung keinesfalls gleich verteilt. Während Hartz IV-Empfangende staatliche Regulierung ebenso alltäglich erleben wie Geflüchtete, deren Bewegungsradius wie selbstverständlich Gegenstand staatlicher Kontrolle ist, war die umfassende Erfahrung staatlich induzierter Beschränkung für andere Teile der Bevölkerung völlig neu. Dies hat – jetzt, da es viele traf – eine ganze Reihe von Diskussionen über eine Krise des Liberalismus aufgerufen. Während diese Krise sich für einige in den Einschränkungen liberaler Freiheitsrechte manifestierte[1], wurde von anderen breiter als bislang die Vorstellung liberaler Freiheit selbst problematisiert.[2]

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05 Jul

Die Liebe in Zeiten der Pandemie. Welches Nachdenken über die Krise fruchtbar sein könnte und welches nicht.

Von Franziskus v. Heereman


Wer heute grundsätzlich über die Corona-Pandemie nachdenken will, sollte wissen, dass weder er noch sonst jemand bereits jetzt dieser Epoche gerecht werden kann. Was von jedem Witz, jedem Roman, jedem Musikstück und jedem Leben gilt, ist nicht weniger wahr in Bezug auf geschichtliche Ereignisse: Was etwas ist, weiß man erst, wenn es vorbei ist. Deshalb kennen paradoxerweise Zeitzeugen ihre Epoche schlechter als jene, die auf sie zurückschauen. Solange jener militärische Konflikt währte, der 1618 durch den Ständeaufstand in Böhmen ausgelöst wurde, konnte niemand wissen, dass dies der 30-jährige Krieg war und, was evidenter Weise von seiner namengebenden Länge gilt, gilt gleichermaßen von seiner geschichtlichen Bedeutung. Die Eule der Minverva fliegt eben am Abend, Vordenken ist immer tentativ, tastend, unsicher; das Wesen steht erst dem Nachdenken offen (es ist eben erst, was es ist, wenn es ge-wesen ist; erst im Perfekt ist es perfekt).

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01 Jul

Querfühlen statt Querdenken? Tocqueville zu Solidarität, Gemeinsinn und Individualismus in Zeiten von Corona

Von Sarah Rebecca Strömel (Regensburg)


Die QuerdenkerInnen-Bewegung ist seit geraumer Zeit in aller Munde. Woche für Woche reklamieren ihre VertreterInnen das kritische Denken und das Hinterfragen der Entscheidungen von etablierten PolitikerInnen für sich. Von Personen, die ihren Unmut über die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zum Ausdruck bringen möchten, über generelle ImpfgegnerInnen bis hin zu strikten Leugnern der Existenz eines Coronavirus, VerschwörungstheoretikerInnen und nationalistischen Akteuren, die jede Gelegenheit nutzen, ohne Maske und Abstandsregel ihre Parolen schwingen zu dürfen, ist alles dabei. Der folgende Text möchte zeigen, was Alexis de Tocqueville – kritischer Analytiker der Demokratie – zum Zusammenhang von Emotionen im Kontext des Politischen und dem Erstarken der QuerdenkerInnen-Bewegung beizutragen hat.

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