05 Okt

Gestern, Heute, Morgen. Tagungen in der Philosophie

von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Dieser Text verfolgt drei Anliegen. Erstens geht es mir darum, warum wir – als wissenschaftliche Gemeinschaft – überhaupt Tagungen machen, was ihre Funktionen sind und, heikel, was eine Tagung zu einer guten Tagung macht, wobei ich besonders über soziale Aspekte sprechen werde. Zweitens versteht sich dieser Text als Service. Service für alle, die Tagungen organisieren (müssen oder möchten). Es gibt wenig Austausch darüber, wie man das macht und ich will einige konkrete Schwierigkeiten ansprechen. Drittens schließlich beziehe ich mich vor allem auf meine Erfahrungen als Ko-Organisator der Tagung für Praktische Philosophie, die heuer nach zehn Ausgaben zum letzten Mal in Salzburg stattgefunden hat. Das erlaubt mir die eine oder andere rückschauende Reflexion ohne Verklärung und das Benennen von Dingen, die uns misslungen sind. Scheitern gehört dazu und ich habe keineswegs immer daraus gelernt; vielleicht tun das andere.

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03 Okt

Adam Smith und die Theory of Moral Sentiments

Von Ulli Rühl (Bremen)


Adam Smith (1723-1790) wird heute ausschließlich als Ökonom und Autor von Wealth of Nations (1776) wahrgenommen – und je nach politischem Standpunkt verehrt oder verdammt. Sein dreihundertster Geburtstag am 16. Juni 1723 (genau genommen der Tag seiner Taufe) gibt Gelegenheit, das Bild dieses bedeutenden Aufklärungsphilosophen zu vervollständigen und einige Stereotype zu korrigieren.

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05 Sep

Wissenschaft und Elternzeit. Wunsch und Wirklichkeit

Von Elke Elisabeth Schmidt (Siegen)


Nachwuchswissenschaftler*innen mit Kindern sind immer im Spagat zwischen Job und Familie. Viele Spannungen sind bekannt: ein hohes Arbeitspensum, geforderte zeit- und räumliche Flexibilität sowie Befristung auf der einen Seite und Kinder und all das auf der anderen. Weniger bekannt ist: Mutterschutz und Elternzeit könnten den Spannungen zwar eigentlich Abhilfe schaffen, scheitern aber an der akademischen Lebenswirklichkeit.

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23 Aug

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 2: Doppelangebote

von David Löwenstein (Düsseldorf)


In einem ersten Beitrag habe ich die spezifischen Vereinbarkeitsprobleme akademischer Doppelkarrierepaaren skizziert. Wie lassen sie sich lösen? Auch hier ist zunächst auf den Good Practice Guide der Society for Women in Philosophy zu verweisen, der dazu viele gute Vorschläge enthält. Und wie bei den Problemen, gilt auch für die Lösungsideen: Akademische Doppelkarrierepaare sind doppelt betroffen.

In der Praxis besteht der häufigste Ausweg aus den geschilderten Vereinbarkeitsproblemen jedoch darin, dass mindestens ein Elternteil aussteigt und sich beruflich neu orientiert. Das ist aber natürlich weder im Sinne exzellenter Forschung und Lehre noch im Sinne von Vereinbarkeit und gleichberechtigten Beziehungsmodellen.

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16 Aug

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 1: Probleme

David Löwenstein (Düsseldorf)


Das Problem der Vereinbarkeit von akademischer und Sorgearbeit hat viele Gesichter. Manche Faktoren betreffen alle oder viele ähnlich, andere nicht. Dies ist der erste von zwei Beiträgen, die eine spezifische Konstellation in diesem Feld behandeln: akademische Doppelkarrieren. Gemeint sind also Paare, bei denen beide Beteiligte eine akademische Karriere verfolgen, und die gleichzeitig gemeinsam Sorgearbeit leisten, etwa für eigene Kinder.

Ich beginne mit drei Vorbemerkung zur Einordnung des Themas. Danach beschreibe ich die spezifische Vereinbarkeitsproblematik akademischer Doppelkarrierepaare und benenne dort drei zentrale Problembereiche. In einem Folgebeitrag geht es dann um Lösungen und Auswege – vom Üblichen, dem Ausstieg, bis zum Traum des gemeinsamen Ankommens an einem Ort.

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08 Aug

Pluralismus und Politikrelevanz: Smiths Kritik des Merkantilsystems

Von Richard Sturn (Graz)  


Die Pluralität der Einflüsse auf Smiths Denken ist weithin anerkannt. Und die Vielzahl und Vielfalt der Schulen und Richtungen, die sich auf bestimmte Smithsche Argumentationen berufen, ist nicht zu übersehen. Weniger bekannt ist sein eigener theoretischer Pluralismus. Gemeint ist seine nur gelegentlich angedeutete Strategie, für die Diskussion wichtiger Fragen von übergeordnetem Interesse eine Pluralität von Modellen und Theorien zu Rate zu ziehen.

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27 Jul

Die Moral von Lebenserhalt, Genuss und Kontrolle

Von Dieter Schwab (Nürnberg)


Auf der Suche, das Profane der Ernährung hinter uns zu lassen, geraten wie in gefährliche Gewässer. Die Untiefen lauern zum einen darin, (1) in die Falle der Selbstoptimierung zu geraten und der sequentiellen Machtaufgabe über alle Teilbereiche unseres Lebens anheim zu fallen; (2) in eine normativen Prüderie zu verfallen, in der Sinnlichkeit negativ etikettiert wird; (3) über die existentielle Bedeutung der Ernährung den Schleier des wohlhabenden Nichtwissens zu legen; und schließlich (4) die eigenständige Bedeutung des Magen-Darm-Trakts für unser Selbst-Sein zu unterschätzen. Aber nun der Reihe nach.

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25 Jul

Der Riss zwischen Leben, Arbeit, Nachdenken – und Akademie. Ein Lamento.

Von Teresa Geisler


Ich habe keine Kinder und ich habe keine Hobbies. Das ist schon mal gut, wenn man den Wunsch hat, Wissenschaft als Beruf zu betreiben. Leider habe ich Interessen und Leidenschaften. Das ist nicht so gut.

Denn für mich als Promotionsstudentin der Philosophie stellt sich die Lage des Wissenschaftlers im Augenblick als ein unglückliches Spannungsverhältnis zwischen Zeit und Geld dar: Wer eine feste Stelle in der Akademie hat und somit Geld, ertrinkt meist in Arbeit, so dass neben Verwaltung, Politik, Gremienarbeit und Antragsprosa oft bereits kaum Zeit für das Kerngeschäft Lehre und Forschung bleibt, ganz zu schweigen davon, Dinge neu und anders zu denken. Wer keine feste Stelle hat, sondern zwischen Hartz4 und Wohngeld, mehr oder weniger ehrenamtlichen Lehraufträgen und unbezahlten Publikationen, versucht, Wissenschaft zu betreiben und die Zeit hat, dem fehlt das Geld zum Leben – und für die Wissenschaft. Denn wenn man nicht institutionell angestellt ist, dann kann man sich Wissenschaft eigentlich nicht leisten. Anders als in der Kunst gibt es in der Wissenschaft kaum Projektförderungen für Personen, die nicht an den akademischen Betrieb angebunden sind, und das Zeigen und Diskutieren der eigenen Arbeit auf Tagungen und Konferenzen oder das Veröffentlichen von Monografien, in Journalen oder Sammelbänden kostet öfter Geld, als dass das es etwas einbringt. Dabei ist die kostspielige Arbeit die Voraussetzung für die Teilnahme am akademischen Arbeitsmarkt, die man sich aber eigentlich nur leisten kann, wenn man eine Stelle hat, die vergütet wird. Das ist ein Problem unter dem schließlich auch die Wissenschaft leidet, weil die Zeit oder das Geld zum Nachdenken fehlt.

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13 Jul

Geschlechtergerechte Sprache. Eine ethische Reflexion

Von  Janina Loh (Stiftung Liebenau & Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)


Am 14. Juli 2023 ist International Non-Binary People’s Day. Als einer meiner persönlichen Lieblingstage im Jahr ist das eine gute Gelegenheit, ein paar Gedanken zu einem Thema von nach wie vor hartnäckiger Aktualität loszuwerden. Fast scheint es, als würde sich hierüber die Gesellschaft immer offensichtlicher polarisieren. Es geht um die geschlechtergerechte Sprache.

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06 Jul

Vereinbarkeit zwischen Familie, Studium & Arbeit als ewiger Kompromiss

Von Sonja


Als ich die Anfrage erhalte, ob ich einen Blogbeitrag zum Thema „Vereinbarkeit“ schreiben möchte, muss ich etwas zögerlich antworten, da ich mir aufgrund eben dieser Vereinbarkeit nicht sicher bin, ob ich es schaffe. Es ärgert mich innerlich: Ich würde am liebsten so viele Dinge machen, ausprobieren und angehen, aber es würde mich innerlich zerreißen. Am Anfang galt es, Familie und Studium zu vereinbaren. Während meines Bachelors gab es eine Distanz von 800 km zwischen meinem jetzigen Mann, unserer Tochter und mir, da er ganz woanders lebte und studierte. Neben dem Bachelor-Studium war ich quasi alleinerziehend und hatte vor allem die Unterstützung meiner Oma, um diese Herausforderung irgendwie zu bewältigen. Zu Beginn meines Masters zogen wir endlich zusammen und einige Jahre später  kam dann erst eine Selbstständigkeit meinerseits dazu (da es keinen Job gab, bei dem ich sonst alles unter einen Hut bekommen hätte), dann der Nebenjob in einer NGO mit einem Pensum von circa 13 Stunden die Woche. Es gab mehrere Gründe dafür: Zum einen spürte ich den enormen Druck, mit Ende zwanzig/Anfang dreißig noch nicht im Berufsleben Fuß gefasst zu haben, und es machte sich Panik breit, was die Altersvorsorge und ähnliche Dinge betrifft. Zum anderen brauchten wir dringend eine finanzielle Entlastung, jedoch kam es für uns nicht in Frage, Kredite oder ähnliches aufzunehmen. Wir wollten möglichst schuldenfrei bleiben.

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