22 Apr

Objektiver Idealismus. Fragen an Vittorio Hösle

Der an der University of Notre Dame lehrende Philosoph Vittorio Hösle ist ein profilierter Vertreter eines objektiven Idealismus. Seine zahlreichen Publikationen umfassen u.a. «Wahrheit und Geschichte. Studien zur Struktur der Philosophiegeschichte unter paradigmatischer Analyse der Entwicklung von Parmenides bis Platon» (1984), «Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität» (1987), «Moral und Politik. Grundlagen einer politischen Ethik für das 21. Jahrhundert» (1997), «Kritik der verstehenden Vernunft. Eine Grundlegung der Geisteswissenschaften» (2018), «Globale Fliehkräfte. Eine geschichtsphilosophische Kartierung der Gegenwart» (2019). Das Interview führte Gregor Schäfer, Doktorand in Philosophie an der Universität Basel. 2018 / 19 war er visiting researcher an der University of Notre Dame. 

Gregor Schäfer: Wie würden Sie – in aller Kürze – die philosophische Position eines «objektiven Idealismus» definieren?

Vittorio Hösle: Der objektive Idealismus nimmt erstens an, dass es neben Physischem und Mentalem Ideales gibt, dass zweitens innerhalb dieser idealen Strukturen Werte eine Sonderstellung haben und dafür verantwortlich sind, dass die Welt so ist, wie sie ist, drittens, dass die Erkennbarkeit der idealen Welt durch den endlichen Geist kein kontingentes Faktum ist, sondern aus diesen Werten folgt. Die Erkenntnis der idealen Welt ist nicht empirischer Natur, aber dennoch gültige Erkenntnis.

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04 Sep

Interview mit Kirsten Meyer

Kirsten Meyer ist seit 2011 Professorin für Praktische Philosophie und Didaktik der Philosophie am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie hält einen der beiden Plenarvorträge auf der VII. Tagung für Praktische Philosophie, die 26. und 27. September 2019 an der Universität Salzburg stattfindet.

prae|faktisch:  Was würden Sie heute machen, wenn Sie keine Philosophin geworden wären?

Kirsten Meyer: Wenn ich nicht Philosophieprofessorin geworden wäre, dann wäre ich Philosophielehrerin geworden. Mein zweites Unterrichtsfach wäre Biologie gewesen. Nach dem Abitur hatte ich vor, später im praktischen Naturschutz zu arbeiten, und deshalb habe ich Diplombiologie studiert. Da mich im Studium aber vor allem die theoretischen und grundsätzlichen Fragen interessierten und ich daher Philosophieseminare besuchen wollte, habe ich parallel dazu noch Philosophie und Biologie auf Lehramt studiert. Mit diesem Doppelstudium habe ich in Münster begonnen, nach dem Vordiplom bin ich dann an die Universität Bielefeld gewechselt. Meine Diplomarbeit in der Biologie enthielt dann eigentlich zu viele philosophische Aspekte. Zu meinem Glück waren die Biologen in Bielefeld demgegenüber aber sehr offen und schätzten die Interdisziplinarität. Aus dieser Arbeit und deren Weiterführung hat sich dann letztlich eine Promotion in der Philosophie ergeben.

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28 Mai

Interview mit Dieter Birnbacher

Dieter Birnbacher war bis zu seinem Ruhestand 2012 Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

prae|faktisch: Wieso wollten Sie Philosoph werden?

Dieter Birnbacher: Ich bin Philosoph geworden, weil ich die Chance eines Stipendiums in Cambridge hatte und diese nicht ungenutzt lassen wollte. Jeder einzelne Karriereschritt war dann erneut mit Unsicherheiten behaftet. Meine Alternative wäre die gewesen, Musiker zu werden bzw. Musiklehrer – das erstere eine noch brotlosere Kunst und das letztere sehr viel unselbständiger. Das Philosophiestudium in England war vor allem anstrengend, aber auch immens fruchtbar, das in Deutschland vor allem frustrierend und sehr viel weniger ergiebig.

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30 Apr

Interview mit Eve-Marie Engels

Eve-Marie Engels war bis zu ihrem Ruhestand Inhaberin des Lehrstuhls für Ethik in den Biowissenschaften an der Fakultät für Biologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.


Wieso wollten Sie Philosophin werden?

Das Fach Philosophie hat mich bereits in der Schule begeistert, weil Philosophie mit Fragen und Problemen zu tun hat, die nicht durch reine Kenntnis von Fakten lösbar sind, sondern eine tiefer gehende Reflexion erfordern, die auch Selbstverständliches in Frage stellt. Die Möglichkeit des Philosophieunterrichts in der Schule kam meiner bereits erwähnten Neigung entgegen. Auch den Religionsunterricht habe ich als spannend erlebt. Allerdings habe ich die Schule insgesamt sehr gern auch noch wegen anderer Fächer besucht.

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12 Mrz

Interview mit Nicole C. Karafyllis

Nicole C. Karafyllis ist seit 2010 Professorin für Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig.

prae|faktisch: Wieso wollten Sie Philosophin werden?

Nicole C. Karafyllis: Ich kann gar nicht sagen, dass ich unbedingt Philosophin werden wollte, im strengen Sinne von „Wollen“. Ich wollte immer forschen und interessierte mich für das Leben – grundsätzlich und in seiner Vielfalt. Also habe ich erst mal Biologie studiert und mit Diplom abgeschlossen. Während des Studiums habe ich durch Zufall eine Philosophieveranstaltung besucht und war sofort gefesselt. Hier wurden denjenigen Fragen zum Leben auf den Grund gegangen, die die Biologie nicht behandelte: das Leben als Idee. Ich studierte dann zusätzlich Philosophie im Doppelstudium; das war ganz schön viel „Stoff“, zumal ich auch noch als studentische Hilfskraft im Labor arbeitete, aber hat meinen Lebensweg bestimmt. Nach dem Studium wurde ich von Professoren in beiden Disziplinen zur Promotion ermutigt. Ich bekam nach Bewerbung an einer anderen Universität dann sogar zwei Promotionsstipendien angeboten, in einem philosophischen und in einem biologischen Graduiertenkolleg. Ich entschied mich trotz der angeblich schlechteren Berufsaussichten für die Philosophie, weil ich das Bewerbungsgespräch spannender und angenehmer fand. Ich habe immer Wert darauf gelegt, meine biologischen Fachkenntnisse mit Philosophie zu verbinden, sei es in der Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie oder Technik- und Umweltethik – das hat mir den Weg zur Professur geebnet. Wenn ich nicht Philosophin geworden wäre, wäre ich heute entweder Abteilungsleiterin in einem Pharmaunternehmen zur Pilzforschung oder Referentin in einer Naturschutzbehörde.

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10 Apr

Interview mit Mari Mikkola (Oxford)

Mari Mikkola ist Tutorial Fellow, Somerville College und Associate Professor, Faculty of Philosophy, an der University of Oxford. Davor war sie Juniorprofessorin und Professorin für Praktische Philosophie an der Humboldt Universität Berlin. Sie ist Vorstandsvorsitzende von SWIP Germany.


prae|faktisch: Wieso wolltest Du Philosophin werden? Haben Deine Herkunft (lokal, sozial) oder bestimmte Erfahrungen Dich zur Philosophie oder zu bestimmten philosophischen Fragen gebracht?

Mari Mikkola: Ich glaube, ich wollte nie so richtig Philosophin werden! Eigentlich bin ich mehr oder weniger zufällig hier gelandet. Meine Herkunft hat meinen philosophischen Werdegang so gut wie gar nicht beeinflusst. Ich bin im kalten und dunklen Nord-Finnland aufgewachsen, ohne große intellektuelle Einflüsse. Meine Eltern sind nicht akademisch ausgebildet (oder waren damals nicht – heute hat meine Mutter einen Magisterabschluss) und sie sind ganz normale Menschen. Philosophische Fragen haben wir zu Hause oder auch in der Schule nie diskutiert.

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